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Somalia: Erster Prozess gegen somalische Piraten in Hamburg

 
Meldung vom 24.11.2010

Bei dem ersten in Deutschland stattfindenden Prozess gegen somalische Piraten prallten Welten aufeinander. Das Gericht in Hamburg sieht sich mit einem ungewöhnlichen Verfahren konfrontiert. „Ich bin in der Regenzeit geboren“, erwidert Abdi Fata A. K. D. auf die freundliche Frage des Vorsitzenden Richter Bernd Steinmetz im Hamburger Landgericht. Ein Dolmetscher übersetzt diese Angabe. Soweit er wisse, sei er 24 Jahre alt, fügt der somalische Angeklagte hinzu.

Steinmetz erkennt die Antwort an, auch wenn die deutsche Strafprozessordnung die Nennung eines Geburtsdatums zur korrekten Identifizierung fordert. Geburtsurkunden sucht man aber in dem vom Bürgerkrieg zerrissenen Somalia vergeblich. Ein Angeklagter bemüht sich, seinen Geburtsort anzugeben: „Ich bin unter dem Baum geboren worden.“

Im Gerichtssaal sitzt eine bunt zusammen gewürfelte Gruppe: Einige der Angeklagten, deren Alter mit „mindestens 17 bis etwa 48 Jahren“ angegeben wird, sind in Jogginganzügen erschienen, andere tragen Pullis, einer eine Baseballmütze: Abdi Y. M., der jüngste, ist in einem gestreiften Hemd und einer weißen, zu weiten Hose gekommen.

Der schmale junge Mann mit den schwarzen Locken setzt sich scheu neben seine Anwälte. Andere Angeklagte schauen dagegen neugierig um sich. Es ist nicht klar auszumachen, ob die Täter nicht auch Opfer sind. Menschrechtler behaupten, internationale Fangflotten hätten die Küsten vor dem ostafrikanischen Land leer gefischt. Eine staatliche Ordnung gibt es seit Jahrzehnten nicht mehr, in Teilen Somalias leiden die Menschen unter Hungersnot.

Der Hamburger Prozess wird von einer Jugendkammer geführt, weil bei drei Angeklagten möglich ist, dass sie zur Tatzeit noch minderjährig waren. In dem Prozess müssen drei Dolmetscher vom Somalischen ins Deutsche übersetzen. Schon die Identifizierung der Namen der Angeklagten zu Prozessbeginn wirft ungeahnte Probleme auf, weil Unstimmigkeiten in der Schreibweise schwer erklärbar sind. Staatsanwältin Friederike Dopke schildert dann die Ereignisse, die die mutmaßlichen Piraten Tausende Kilometer von ihrer Heimat entfernt in einen Hamburger Gerichtssaal geführt haben.

Gemeinsam mit noch unbekannten Komplizen hätten sie mitten auf dem Indischen Ozean rund 530 Seemeilen (950 Kilometer) östlich des Horns von Afrika ein Schiff gekapert, eher zufällig traf es die „Taipan“. Die Kaperung vollzieht sich dramatisch: Einige Piraten eröffnen das Feuer auf die Brücke des Schiffes. Während die 15-köpfige Besatzung des Frachters sich in einen Schutzraum an Bord rettet, bringen die Seeräuber das Schiff in ihre Gewalt. Dreieinhalb Stunden später nähern sich niederländische Soldaten der internationalen Anti-Piraten-Flotte dem Tatort und erobern die „Taipan“ schnell zurück. Zehn mutmaßliche Seeräuber werden ergriffen. Da das Schiff ein deutsches ist, werden sie später nach Deutschland überstellt.

Wegen Angriffs auf den Seeverkehr und erpresserischen Menschenraubs stehen die Männer, die zu den Vorwürfen bislang beharrlich schweigen, daher nun vor Gericht. Mit bis zu 15 Jahre Haft müssen die erwachsenen Angeklagten rechnen. Die Verteidiger versuchen, diese Anklage zu unterminieren. Schon am ersten Verhandlungstag wagen sie einen großen Vorstoß gegen den ihrer Meinung nach kaum zu rechtfertigenden Prozess. Ob es „opportun“ sei, zehn Menschen aus dem „vom Bürgerkrieg zerfressenen“ Somalia in Hamburg wegen Seeräuberei vor Gericht zu stellen, müsse sich noch erweisen, kritisiert Rechtsanwalt Philipp Napp.

Zum einen müssten bei der Klärung individueller Schuld die „örtlichen Gegebenheiten“ in Betracht gezogen werden. Zum anderen sei es sehr unwahrscheinlich, dass das Verfahren etwas bewirken könne. Weder gäbe es für die Angeklagten eine Chance auf Resozialisierung noch würden ähnliche Taten durch einen solchen Gerichtsfall verhindert. Philipp Napp unterstreicht sein humanistisches Plädoyer noch mit einem emotionalen Schlussakkord: „Das somalische Volk leidet“, sagt er. Die Gewaltanwendung und Brutalität der Piratenüberfälle neigt man angesichts der jungen Angeklagten fast zu vergessen.


Video-Beiträge zu diesem Thema

 Prozess gegen mutmaßliche Piraten beginnt




Quelle: Gebende Hände-Redaktion; nach einer Information von: „RP Online“, rp-online.de

Schlagwörter: Somalia, Piraterie, Piraten, Haft, Justiz, Hamburg, Gericht, Prozess, Dolmetscher, Taipan, Hamburger Landgericht, Angriff auf den Seeverkehr, erpresserischer Menschenraub, Anklage, Haftstrafe