Unser Service für Sie


 [ » Newsletter ]

[ » zum Kontakt-Formular ]

[ » Material bestellen ]

[ » Geschenke bestellen ]



Videos aus unseren Projekten finden Sie auf unserem Youtube-Kanal.
[ » Gebende Hände – Youtube-Kanal ]


Nicaragua: Die Deutschen auf der Suche nach der Revolution

Meldung vom 05.01.2012

In Nicaragua herrscht eine lange Tradition der Freiwilligendienste. Besonders aus Deutschland sind seit dem Ende der Revolution viele freiwillige Helfer gekommen, um das Land und die Sandinisten, mit denen revolutionäre Ideale verbunden wurden, zu unterstützen. Die Freiwilligen, die heute nach Nicaragua reisen, lassen sich nicht mit den Tausenden Helfern auf eine Ebene stellen, die in den achtziger Jahren kamen. Die ehrenvollen Ideale der Sandinistischen Revolution sind inzwischen verloren gegangen.

Offiziell gibt es trotzdem noch 27 deutsch-nicaraguanische Städtepartnerschaften, und Nicaragua gehört noch immer zu den ärmsten Länder Lateinamerikas. Damit ist es für einige deutsche Sozialbewegungen, Freiwilligen-Netzwerke und Friedensdienste auch heute noch ein lohnenswertes Ziel. Ihre Hilfsangebote umfassen Aids-Aufklärung, Hilfe für Kleinbauern und Programme zur Vorbeugung gegen familiäre Gewalt.

„Las Abejitas“, die Bienchen, nennt sich die Bibliothek in der nicaraguanischen Stadt Ocotal, kurz vor der Grenze zu Honduras. Die Kinder und Jugendlichen konsultieren gern den gut organisierten „Bienenstock“. In die spanischen Gesprächsfetzen mischen sich deutsche Laute. Florian ist auf Besuch. Er redet mit seiner deutschen Kollegin Vanessa, die drei Monate zuvor ihren Dienst in der Bibliothek als Betreuerin begonnen hat.

Ocotal ist Kernland der Revolution. Hier wüteten die Kämpfe zwischen den revolutionären Sandinisten und den von Nordamerika unterstützten Contras in den achtziger Jahren besonders heftig. Die aufständischen Truppen des Generals Augusto César Sandino hatten am 16. Juli 1927 die Stadt 15 Stunden lang beherrscht. Bis die amerikanische Luftwaffe Ocotal anflog und mit ihrem ersten Bombardement in Mittelamerika begann: 300 Personen wurden darin getötet. Von da an begann Sandino den Guerrilla-Krieg, der zum Alptraum der Großmacht wurde.

In Nicaraguas Hauptstadt Managua ist seit 2006 wieder der Sandinist Daniel Ortega an der Herrschaft und kürzlich als Präsident unter Wahlbetrugsvorwürfen wiedergewählt worden. Er bekleidet sich statt mit einer Guerrilla-Uniform nur noch mit weißen Hemden. Die Korruptionsvorwürfe gegen ihn und seine Frau, die Dichterin Rosario Murillo, wollen nicht abreißen. Machtgier, Vetternwirtschaft und Klientelismus zeichnen sich in der Politik der Sandinisten ab.

Vanessa und Florian geben zu, dass ihnen bei ihrer Entscheidung für das Einsatzland nicht bewusst war, was Nicaragua für die Generation ihrer Väter bedeutet hat: das Ringen zwischen zwei Ideologien, zwei Formen gesellschaftlicher Organisation; und eine zwischen den Fronten zerriebenen Bevölkerung. „Wenn man sich nicht mit dem Land beschäftigt hat, weiß man nicht, was hier geschehen ist“, meint Vanessa.

Damals griff der Krieg in Nicaragua um sich. Zehntausende starben. Auf der ganzen Welt, besonders in der Bundesrepublik, formierten sich Solidaritätsgruppen, die mit der Revolution sympathisierten und die leidende Bevölkerung stärken wollten. „Wir waren begeistert von den Veränderungen in dem Land“, erinnert sich Johannes Riehm, Leiter eines Freiwilligendienstes. „Die Revolution von 1979 hatte der jahrzehntelangen grausamen Somoza-Diktatur ein Ende bereitet, es gab Alphabetisierungs- und Impfkampagnen, die arme Landbevölkerung konnte Kooperativen gründen. Gleichzeitig wurde dem Land ein von den Vereinigten Staaten finanzierter Krieg aufgezwungen, der viele von uns empörte und die Solidarität verstärkte.“

Die Solidarität mit dem revolutionären Bruderland wurde in der DDR als Staatsangelegenheit behandelt. Die ost- und westdeutschen Brigaden wurden allerdings auch in Nicaragua durch eine Mauer voneinander fern gehalten. Die Freiwilligen heute erleben, dass vieles von dem, was einst als Errungenschaft der sandinistischen Revolution gepriesen wurde, wieder verloren gegangen ist.

In den Jahren der liberalen Regierungen ist der Großgrundbesitz wiedergekehrt. Die Landflucht führt selbst in kleinen Städten wie Ocotal zu neuen Armenvierteln. Die Kriminalitätsrate nimmt zu. Etwa jede dritte weibliche Person erleidet sexuelle Übergriffe und innerfamiliäre Gewalt. Ausgerechnet der Präsident und frühere „Comandante“ Ortega ist dort ein denkbar schlechtes Vorbild. Die Beschuldigungen seiner Stieftochter Zoilamérica, er habe sie schon im Mädchenalter jahrelang sexuell missbraucht und ihr Gewalt angetan, sind zwar für verjährt erklärt, doch nie geprüft worden.

Die Freiwilligen führt nicht mehr der politische Eifer ihrer Elterngeneration nach Nicaragua. Wenn die Hilfsangebote wie in Ocotal gut organisiert sind, laufen die Einsätze im Idealfall auf ein Geben und Nehmen aus. Eine Freiwillige meint: „Ich selbst hatte zwar das Gefühl, den Menschen dort geholfen zu haben, doch war diese Hilfe nicht einseitig. Ich habe viel von den Leuten in Ocotal gelernt. Zu sehen, wie sie ihr Leben bewältigen müssen, hat mich zum Nachdenken gebracht.“




Quelle: Gebende Hände-Redaktion; nach einer Information von: „Frankfurter Allgemeine Zeitung“, faz.net

Schlagwörter: Nicaragua, Revolution, Helfer, Freiwilligendienste, Sandinistische Revolution, Sandinisten, Guerilla, Ideologie, Daniel Ortega, Rosario Murillo, Ocotal, Städtepartnerschaft, Contras