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Mexiko: Mit jedem Journalisten-Mord stirbt mehr Pressefreiheit

 
Meldung vom 19.07.2012

Mexiko ist für Journalisten der gefährlichste Boden der Welt. Die renommierte Journalistin Regina Martinez wurde Ende April 2012 erdrosselt. Ihr Mord reiht sich ein in die rund 80 Morde an Journalisten seit 2010. Die Rundschau recherchierte im von Drogenkartellen umkämpften Bundesstaat Veracruz und deckte auf, dass selbst die Regierung nicht ausschließt, dass sich Mafia-Mitglieder dort eingenistet haben.

Mexiko wird seit Anfang des Monats von einem neuen Präsidenten regiert. Dass mit Enrique Peña Nieto der grassierende Drogenhandel endlich eingedämmt werden kann, glaubt aber kaum jemand. Der neue Präsident gehört zur alteingesessenen Partei PRI, die während 70 Jahren an der Macht war und bei der Entstehung der Drogenkartelle mitgewirkt hat. Nein, eine Demokratie könne man Mexiko nicht mehr nennen, erklärt Journalist Noe Zavaleta im Bundesstaat Veracruz: „Die Mafia übernimmt immer mehr die Kontrolle.“

Der Lokaljournalist hat Regina Martinez’ Job als Korrespondent für Proceso übenommen, das investigative Wochenmagazin Mexikos vergleichbar mit dem deutschen Spiegel. Viele seiner Journalisten-Kollegen haben dem Bundesstaat aus Angst den Rücken gekehrt. Lokalzeitungen melden, dass sie ihre Berichte über das organisierte Verbrechen einstellen, wie zuletzt El Manana letzten Freitag in Nordmexiko, nachdem vor der Redaktion eine Bombe explodierte.

Über 50.000 Menschen starben in den letzten fünf Jahren im Drogenkrieg, den mehrere Kartelle um die Versorgungswege von Süd- nach Nordamerika führen. Die Banden töten die Menschen nicht einfach, sie überbieten sich gegenseitig in Brutalität und Grausamkeit, um die Menschen zu terrorisieren und zu lähmen. Leichen werden an Brücken gehängt, abgehackte Glieder vor den Toren der Polizeipräsidien abgelegt, die letzten drei toten Journalisten wurden zerstückelt in Plastiksäcken entdeckt. Auf diese Art üben die Kartelle Druck auf die Medien aus und geben vor, was sie über sich in der Zeitung geschrieben sehen wollen und was nicht. Die meisten toten Journalisten sind lokale Verbrechensreporter.

Der Mord an Regina Martinez aber beweise, dass nun jeder Journalist unter Todesgefahr steht, sagt ihr Nachfolger Noe Zavaleta. Nicht nur ist die 49jährige die erste getötete Journalistin einer nationalen Zeitung, sie hat auch nicht ausschließlich über das organisierte Verbrechen berichtet. Bei der Proceso-Zentrale in Mexico City behauptet der Recherchierjournalist Jorge Carrasco, dass im Bundesstaat Veracruz nicht nur die Mafia sondern auch die Regierung alles daran setzt, dass objektive Berichterstattung unmöglich gemacht wird.

Carrasco stellt fest: „Die Regierung und die Mafia wollen die Journalisten kontrollieren. Aber Regina war keine kontrollierte Journalistin“. Regina Martinez habe die Berichte der Regierung stets in einen Gesamtkontext gestellt. Als Strafe sei sie von den Pressekonferenzen ausgeschlossen worden. Habe Proceso über Vorkommnisse in Veracruz berichtet, seien die Magazine teilweise aus den Kiosken entwendet worden. Wer für diese Aktionen verantwortlich ist, weiß Jorge Carrasco nicht.

Bald drei Monate sind vergangen, seit Regina Martinez erwürgt in ihrem Badezimmer entdeckt wurde. Bis heute fehlt jegliche Spur vom Täter. Nicht durchgeführte Strafverfolgung ist das große Problem Mexikos. Nur 3% der Gewaltverbrechen werden aufgeklärt – in der Schweiz sind es 91%. Im Bundesstaat Veracruz mussten die Polizeicorps der zwei größten Städte komplett ersetzt werden, weil sie als korrupt galten.

Die Mutmaßung, dass auch die Justiz mit der Mafia unter einer Decke steckt, liegt bei der tiefen Aufklärungsquote nah. „Das ist nicht gewiss“, meint dazu Gina Dominguez, die Regierungssprecherin von Veracruz. Auf die Frage, ob sie gewährleisten könne, dass die Regierung selbst nicht korrupt sei, sagte sie: „Die Regierung als Gesamtbehörde nicht. Wir können aber nicht ausschließen, dass Leute in der Regierung infiltriert sind.“

In Mexiko selbst aber werden die Beziehungen zwischen Staatsangehörigen und der Mafia nicht untersucht. Der auf das organisierte Verbrechen fokussierte Journalist Jorge Carrasco weiß: Es gibt keine Gewaltentrennung in Mexiko, weil die Staats- und Bundesanwälte von den Gouverneuren und dem Staatschef nominiert werden. „Das ist das große Problem: Die Justiz ist politisch in diesem Land.“

Experten wie er vertreten den Standpunkt, dass der Hydra nur mit einem gemeinsamen politischen Konsens der Kopf abgetrennt werden kann, wie in Kolumbien, wo 2009 ein Drittel der nationalen Parlamentarier wegen ihrer mutmaßlichen Zusammenarbeit mit dem organisierten Verbrechen verhaftet worden waren. Davon ist Mexiko aber noch meilenweit entfernt.

Regina Martinez’ Nachfolger Noe Zavaleta ist sich bewusst, dass er als Journalist niemandem in seiner Heimat trauen kann. Recherchen auf eigene Faust im Drogen- oder Politmilieu kommen für ihn nicht in Frage. „Die Grenze des Journalismus ist sehr einfach“, sagt er: „Schreibe nie mehr, als die Regierung bekannt gibt“. Mit jedem neuen Journalisten-Mord wird ein weiteres Stück der Pressefreiheit Mexikos aufgegeben.


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Quelle: Gebende Hände-Redaktion; nach einer Information von: „SF, Schweizer Fernsehen“, sf.tv

Schlagwörter: Mexiko, Journalist, Presse, Medien, Pressefreiheit, Mord, Journalisten-Mord, Regina Martinez, Drogenkrieg, Drogenkartelle, Veracruz, Mord, Regierung, Mafia, Proceso, Todesgefahr, Bericht, Magazin, Justiz, Polizei, Exekution