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Kenia: Die Terrorzelle im Flüchtlingslager

Meldung vom 08.05.2013

Seit Kenias Armee 2011 in Somalia eindrang, hat sich die Lage in Dadaab, dem größten Flüchtlingscamp der Welt, massiv zugespitzt. Immer mehr Flüchtlinge packen ihre Sachen und gehen zurück nach Somalia.

Zurückgeblieben ist der Abdruck der Zelte. Plastiksäcke wurden achtlos auf dem sandigen Boden zurückgelassen. Ein paar Spuren Müll. Ansonsten haben sie alles eingepackt: Menschen, die jahrelang, jahrzehntelang oder ihr ganzes Leben im größten Flüchtlingslager der Welt gehaust haben, sind zurück nach Somalia aufgebrochen. Die letzten in ihrer Parzelle seien vor drei Tagen losmarschiert, berichtet eine Nachbarin. Dieses Bild biete sich einem derzeit öfter, denn die Menschen werden von der Gewalt verscheucht, die wie eine schwere Wolke über dem ohnehin düsteren Leben in Dadaab hängt.

Die Frau führt uns zu Abdio Mohamed Ibrahim. In der Nacht sei ein Mann über die Dornbüsche geklettert, die ihre Parzelle schützen, und in ihre Hütte eingedrungen. Draußen reden Dutzende Nachbarn über die Ereignisse der Nacht. „Er hat mich am Knöchel gepackt, sich über mich geschoben und mir bedeutet, still zu sein“, bezeugt die junge Frau. „Aber ich habe geschrien!“ Keiner der Nachbarn sei zur Hilfe gekommen. Aber den Eindringling haben sie in die Flucht geschlagen.

Rund 460.000 Menschen sind in Dadaab untergekommen, von allem abgeschnitten in der Halbwüste im Nordosten Kenias. Fast 95 Prozent stammen aus Somalia. Daneben haben sich auch Südsudanesen, Äthiopier und Kongolesen eingefunden. Regelmäßig brechen in den fünf Camps bewaffnete Auseinandersetzungen zwischen Clans, Extremisten und Kollaborateuren der Polizei aus. Die wiederum soll jene schikanieren, die nicht mit ihr zusammenarbeiten, warum auch immer.

Deshalb hat die Lagerleitung eine Schutzzone aufgebaut. Abdi Arab ist der Älteste der Gemeinschaft. Er berichtet von Konflikten zwischen Somaliern und ethnischen Somali, die aus Ogaden in Äthiopien stammen. „Vier von ihnen wurden vergangenes Jahr in Dadaab ermordet“, sagt Arab.

Für Dak Gatkuoth, 28, ist die Flucht das Einzige, was er in seinem Leben kennt, ein Dauerzustand. Erst floh er vor dem Bürgerkrieg im Sudan, dann vor Unruhen in Äthiopien. Dann wurde er vom Flüchtlingslager in Kakuma im Nordwesten Kenias nach Dadaab verlegt. Und schließlich kam er in der Schutzzone unter. Ein Zurück ist ausgeschlossen: „Ich kenne dort auch niemanden mehr.“

Auf dem Weg zum UN-Gelände stoppt Fahrer Abdi kurz. „Hier wurde von einigen Wochen ein Polizeiauto in die Luft gesprengt“, sagt er und deutet nach oben. In den Ästen des dornigen Baums sieht man noch deutlich die Stoßstange eines Landcruisers.

Etwa ein Dutzend internationale Helfer wurden 2012 verschleppt, immer wieder explodieren zusammengebastelte Bomben. Seit Kenias Armee 2011 sich in den Somalia-Konflikt einmischte, hat sich die Lage sehr verschlechtert. Journalisten wurde monatelang der Zutritt verwehrt, doch nun dürfen sie mit Polizeieskorte wieder ins Lager. Aber nur bis sechs Uhr, bis zur Ausgangssperre.

„Wir wissen ganz sicher, dass es hier eine Terrorzelle gibt“, meint Dominik Bartsch, der Leiter des Lagers: „Wir als UNHCR machen aber kein Sicherheits-Screening, können also nicht herausfinden, wer Verbindung zu al-Schabaab hat“, jener Miliz, die noch immer Teile Somalias verunsichert.

Internationale Mitarbeiter der UN unterliegen verschärften Sicherheitsregeln. Viele haben das Camp seit Monaten nicht mehr betreten. Erin Hayba, die ein Bildungsprogramm des Flüchtlingshochkommissariats UNHCR durchführt, arbeitet in einem der weißen Container, die auf dem UN-Gelände als Büros eingerichtet wurden. Die Klimaanlage dröhnt, die Hitze der Halbwüste bleibt vor der Tür. Im Oktober habe sie zum letzten Mal die von ihr betreuten Projekte inspiziert, erzählt die junge Amerikanerin. Sie verrichtet ihre Arbeit seither vom Schreibtisch aus.

In den Camps fühlen sich die Menschen im Stich gelassen. „In der Nacht gibt es keine Polizei“, bemängelt Hassan Hussein Butte. Um acht Uhr abends geht die letzte Patrouille umher. „Dann können Räuber machen, was sie wollen.“ Frauen würden Opfer von Vergewaltigung, manchmal werden sie sogar ermordet, selbst am helllichten Tage könnten sie nicht mehr ohne Risiko Feuerholz suchen gehen. All dies habe Butte gedrängt, seine Frau zurück nach Baidoa in Somalia zu schicken. Er leiste noch seiner Schwester Beistand, deren Neugeborenes noch zu schwach sei für die beschwerliche Reise. „Aber so bald wir können, werden auch wir gehen“, erklärt er entschieden. Er glaube, dass die Lage Somalia inzwischen leichter sei.

Ein gelber Bus macht sich mühsam über die staubige Straße auf den Weg. Er hat keine Tür, ist aber gerammelt voll. Auf dem Dach türmen sich Säcke, Taschen und Kisten. Das Ziel der Menschen ist Somalia. Seit sich die al-Schabaab im August 2011 aus Mogadischu zurückziehen musste, hat sich die Sicherheitslage dort verbessert. Das gleiche gilt für Baidoa und Kismayo, zwei strategisch wichtige Städte, die den Zugang zu den fruchtbaren Gegenden des Landes sichern.

Im August 2012 fand die erste Wahl seit mehr als 20 Jahren statt. Entgegen allen Befürchtungen lief sie zum großen Teil friedlich ab. Vor wenigen Wochen wurden erstmals wieder die Hauptverkehrswege zwischen Städten für den Verkehr freigegeben. „Mogadischu ist eine andere Stadt geworden“, meint Dominik Bartsch. „Und wenn diese positive Dynamik auch auf Südsomalia übergreift, sind da ganz sicher Bedingungen, die es für Flüchtlinge sehr viel attraktiver machen, zurückzukehren.“

Doch ein Risiko bleibt dennoch: Ein Großteil der ländlichen Gegenden wird noch immer von islamistischen Milizen beherrscht. Regelmäßig werden Anschläge verübt, auch in Mogadischu.

Bartsch hat seinen letzten Tag in Dadaab verbracht. Sein Vertrag ist beendet. Er gehe mit Zufriedenheit. „Sobald der Frieden in Somalia einkehrt, bin ich sicher, dass der Großteil der Flüchtlinge zurückgeht. Selbst die, die seit 20 Jahren hier leben, selbst die, die hier geboren sind. Weil Somalia ihre Heimat ist.“




Quelle: Gebende Hände-Redaktion; nach einer Information von: „Die Presse“, diepresse.com

Schlagwörter: Kenia, Dadaab, Flüchtlingslager, Somalier, Flüchtlinsgcamps, UN, Gewalt, Terrorzelle, Terror, Vergewaltigung, Flüchtlinge, Schutzzone, Bomben, Sicherheit, Mogadischu, al-Schabaab-Miliz, Baidoa, Kismayo, Rückkehr, Heimkehr