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Indien: Fahrräder verboten in Kalkutta |
Meldung vom 18.10.2013
Die Stadt Kalkutta in Indien ergreift eine ungewöhnliche Maßnahme, um das Verkehrschaos in den Griff zu bekommen: Ab sofort sollen auf zentralen Straßen Fahrräder verboten sein. Statt die Autos zu reduzieren, erteilt die Polizei in Kalkutta den Fahrradfahrern die rote Karte: Alle Vehikel ohne Motorantrieb dürfen die 174 Hauptstrecken nicht mehr befahren.
Der Verkehr in Kolkata kommt nur mühsam vorwärts. Wenn überhaupt. Kaum eine andere indische Stadt hat ein langsameres Tempo auf der Straße, selbst auf den Hauptstraßen plagen sich Fahrzeuge mit 18 Stundenkilometer durch die überfüllte Stadt. Im Berufsverkehr und bei einem der zahlreichen religiösen Feste stehen Reisende auch mal zwei Stunden ganz still. Deswegen hat der Polizeichef der Fünf-Millionen-Metropole eine harte Entscheidung getroffen. Doch statt die Zahl der Autos zu verringern, trifft es die Fahrräder.
„Jede andere Stadt auf der Welt baut die Infrastruktur für Fahrradfahrer aus, Kolkata ist wohl die einzige, die sie verringert“, empört sich Gautam Shroff, der in der Stadt mehrere Radgeschäfte unterhält. („Kolkata“ wird die Stadt in der lokalen Sprache Bengalisch genannt). Dabei sei ja wohl offensichtlich, dass Fahrräder nicht die Ursache der Staus seien – schließlich benötigen sie viel weniger Platz als Autos. „Und sie verbrennen kein Benzin, sind umweltfreundlich und die Leute treiben auch noch Sport!“
Doch Polizeichef Surajit Kar Purkayastha, der per Gesetz Anordnungen treffen darf, legte im Juni dennoch fest: Alle Fahrräder, Rikschas, Bäckereiräder, Handkarren und Gepäckwagen ohne Motorantrieb dürfen sich auf den 174 Hauptverkehrsadern der Stadt nicht mehr blicken lassen. „Es gibt nicht genügend Platz für alle“, verteidigt der oberste Verkehrspolizist, Dilip Kumar Adak, die Bestimmung. Außerdem hielten die muskelbetriebenen Gefährte den Verkehr auf.
Trotz des Verbots pedalieren weiterhin unzählige Menschen durch die oft engen Straßen, von denen viele noch aus dem 18. Jahrhundert stammen. Sie balancieren Milchkannen oder Stoffballen, fahren Zeitungen aus, transportieren Kunden von A nach B oder radeln zur Arbeit, weil ihnen Bus oder die Metro zu teuer ist. „Diese Menschen haben gar keine andere Wahl, für sie ist der unmotorisierte Transport unverzichtbar“, meint Ekta Kothari von der Bürgerrechtsbewegung Cycle Satyagraha, der Name wurde von dem friedlichen zivilen Ungehorsam von Mahatma Gandhi geborgt.
„Manchmal halten mich die Polizisten plötzlich am Gepäckträger oder der Lenkerstange fest. Wenn ich 80 Liter Milch am Rad hängen habe, drohe ich jedes Mal, umzufallen und alles zu verlieren“, berichtet Raghunath Bhattacharjee (42). Dann müsse er zwischen 100 und 300 Rupien (ein bis vier Euro) Strafe entrichten, je nach Willkür der Beamten. „Auch wenn ich weine und flehe, dass das mein ganzer Tagesverdienst ist, lassen sie mich nicht gehen“, klagt er. „Wer nicht zahlt, bei dem zerstechen sie die Reifen.“
Sein Chef, der Milchhändler Amet Sinha, betont, er könne seinen Betrieb nicht mit Lastwagen ausrüsten. „Dann steigen die Transportkosten und der gemeine Mann kann sich die Milch nicht mehr leisten.“ Das trifft auch auf Prabhunath Rai (55) zu, der 50 Lastenfahrräder sein Eigentum nennt und damit Stoffe, Tee oder Trockenfrüchte transportiert. „Wir fühlen uns jetzt alle wie Kriminelle, denn egal wie wir es anstellen, wir brechen immer Gesetze.“
Bisher würden alle Besitzer der rund 20.000 Lastenräder und rund 50.000 Milchräder ihre Strafe entrichten, fügt Rai hinzu. Aber wenn die Polizei noch häufiger Kontrollen ausübe, müssten sie ihren Betrieb einstellen. Die Existenzangst drängt die Ausfahrer zu Kundgebungen auf die Straße: In den vergangenen Wochen wurden mehrfach große Demonstrationen gegen das Fahrradverbot abgehalten. 20.000 Unterschriften gegen das Verbot wurden bei der Regierung des Bundesstaates Westbengalen eingereicht.
„Fahrräder sind die Transportmittel der Armen, deswegen haben sie nicht den Stellenwert, den sie haben sollten“, kritisiert Aktivistin Kothari. Die meisten Menschen in Kolkata verlassen sich nach Ministeriumsangaben auf öffentliche Verkehrsmittel oder gehen zu Fuß. Und während elf Prozent die Strecken radeln, fahren nur acht Prozent mit dem Auto. Trotzdem sei die Politik absolut auf Autos ausgerichtet, sagt Kothari. „Wenn die Mittelschicht Fahrrad fahren würde, dann gäbe es dieses Verbot nicht.“
Quelle: „nachrichten.at“
Schlagwörter: Indien, Kalkutta, Kolkata, Verkehr, Infrastruktur, Fahrräder, Vehikel, Verbot, Transport, Autos, Transportmittel, Strafe, Polizei, Staus, Straßen, Arme
Der Verkehr in Kolkata kommt nur mühsam vorwärts. Wenn überhaupt. Kaum eine andere indische Stadt hat ein langsameres Tempo auf der Straße, selbst auf den Hauptstraßen plagen sich Fahrzeuge mit 18 Stundenkilometer durch die überfüllte Stadt. Im Berufsverkehr und bei einem der zahlreichen religiösen Feste stehen Reisende auch mal zwei Stunden ganz still. Deswegen hat der Polizeichef der Fünf-Millionen-Metropole eine harte Entscheidung getroffen. Doch statt die Zahl der Autos zu verringern, trifft es die Fahrräder.
„Jede andere Stadt auf der Welt baut die Infrastruktur für Fahrradfahrer aus, Kolkata ist wohl die einzige, die sie verringert“, empört sich Gautam Shroff, der in der Stadt mehrere Radgeschäfte unterhält. („Kolkata“ wird die Stadt in der lokalen Sprache Bengalisch genannt). Dabei sei ja wohl offensichtlich, dass Fahrräder nicht die Ursache der Staus seien – schließlich benötigen sie viel weniger Platz als Autos. „Und sie verbrennen kein Benzin, sind umweltfreundlich und die Leute treiben auch noch Sport!“
Doch Polizeichef Surajit Kar Purkayastha, der per Gesetz Anordnungen treffen darf, legte im Juni dennoch fest: Alle Fahrräder, Rikschas, Bäckereiräder, Handkarren und Gepäckwagen ohne Motorantrieb dürfen sich auf den 174 Hauptverkehrsadern der Stadt nicht mehr blicken lassen. „Es gibt nicht genügend Platz für alle“, verteidigt der oberste Verkehrspolizist, Dilip Kumar Adak, die Bestimmung. Außerdem hielten die muskelbetriebenen Gefährte den Verkehr auf.
Trotz des Verbots pedalieren weiterhin unzählige Menschen durch die oft engen Straßen, von denen viele noch aus dem 18. Jahrhundert stammen. Sie balancieren Milchkannen oder Stoffballen, fahren Zeitungen aus, transportieren Kunden von A nach B oder radeln zur Arbeit, weil ihnen Bus oder die Metro zu teuer ist. „Diese Menschen haben gar keine andere Wahl, für sie ist der unmotorisierte Transport unverzichtbar“, meint Ekta Kothari von der Bürgerrechtsbewegung Cycle Satyagraha, der Name wurde von dem friedlichen zivilen Ungehorsam von Mahatma Gandhi geborgt.
„Manchmal halten mich die Polizisten plötzlich am Gepäckträger oder der Lenkerstange fest. Wenn ich 80 Liter Milch am Rad hängen habe, drohe ich jedes Mal, umzufallen und alles zu verlieren“, berichtet Raghunath Bhattacharjee (42). Dann müsse er zwischen 100 und 300 Rupien (ein bis vier Euro) Strafe entrichten, je nach Willkür der Beamten. „Auch wenn ich weine und flehe, dass das mein ganzer Tagesverdienst ist, lassen sie mich nicht gehen“, klagt er. „Wer nicht zahlt, bei dem zerstechen sie die Reifen.“
Sein Chef, der Milchhändler Amet Sinha, betont, er könne seinen Betrieb nicht mit Lastwagen ausrüsten. „Dann steigen die Transportkosten und der gemeine Mann kann sich die Milch nicht mehr leisten.“ Das trifft auch auf Prabhunath Rai (55) zu, der 50 Lastenfahrräder sein Eigentum nennt und damit Stoffe, Tee oder Trockenfrüchte transportiert. „Wir fühlen uns jetzt alle wie Kriminelle, denn egal wie wir es anstellen, wir brechen immer Gesetze.“
Bisher würden alle Besitzer der rund 20.000 Lastenräder und rund 50.000 Milchräder ihre Strafe entrichten, fügt Rai hinzu. Aber wenn die Polizei noch häufiger Kontrollen ausübe, müssten sie ihren Betrieb einstellen. Die Existenzangst drängt die Ausfahrer zu Kundgebungen auf die Straße: In den vergangenen Wochen wurden mehrfach große Demonstrationen gegen das Fahrradverbot abgehalten. 20.000 Unterschriften gegen das Verbot wurden bei der Regierung des Bundesstaates Westbengalen eingereicht.
„Fahrräder sind die Transportmittel der Armen, deswegen haben sie nicht den Stellenwert, den sie haben sollten“, kritisiert Aktivistin Kothari. Die meisten Menschen in Kolkata verlassen sich nach Ministeriumsangaben auf öffentliche Verkehrsmittel oder gehen zu Fuß. Und während elf Prozent die Strecken radeln, fahren nur acht Prozent mit dem Auto. Trotzdem sei die Politik absolut auf Autos ausgerichtet, sagt Kothari. „Wenn die Mittelschicht Fahrrad fahren würde, dann gäbe es dieses Verbot nicht.“
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Quelle: „nachrichten.at“
Schlagwörter: Indien, Kalkutta, Kolkata, Verkehr, Infrastruktur, Fahrräder, Vehikel, Verbot, Transport, Autos, Transportmittel, Strafe, Polizei, Staus, Straßen, Arme