Philippinen: Reisernte vernichtet, Mangobäume zerstört

Meldung vom 27.11.2013

Nach dem Taifun Haiyan ist die Nothilfe auf den Philippinen voll im Gange. Aber nun tritt immer klarer hervor, dass die Überlebenden noch jahrelang unter den Folgen zu leiden haben – allein ein Drittel der philippinischen Reisernte ist vernichtet.

Die schmale Frau geht fast unter in den Reihen voll Wasserflaschen und bunten Plastiktütchen mit Fertigkaffeepulver. Ein paar Ölfunzeln sorgen für trübes Licht. „Zum Essen habe ich nur gekochte Eier und Brot“, meint die junge Marktfrau Marivin.

Ihr Stand, ein langer Tisch und ein paar Plastikhocker, neben dem Busbahnhof und Hafen der philippinischen Stadt Ormoc wird Tage nach dem verheerenden Taifun Haiyan als so etwas wie ein Geheimtipp in der Hafenstadt der Insel Leyte gehandelt. Marivin kocht heißes Wasser auf, um Kaffee zu verkaufen. Das ist ein nahezu sensationelles Angebot in einer Region, die von Strom und fließendem Wasser abgeschnitten ist.

Drei Tage nach der Katastrophe schon zimmerte Marivin ihren kleinen Stand zusammen und öffnete ihn wieder. „Man muss weitermachen“, betont die junge Frau und ein Lächeln erhellt ihr schmales Gesicht. In einem Kinderbett hinter dem Marktstand spielt ihr kleiner Sohn. Marivins Mutter geht ständig auf der Suche nach gefragten Artikeln zu anderen Marktfrauen und besorgt von Zigaretten bis zu Instantnudeln die Waren, die sie selbst nicht hat, aber von Kunden benötigt werden.

„Vor dem Taifun hatte ich ein Haus“, berichtet Marivin, „ich weiß nicht, wie man das nennt, was ich jetzt habe.“ Marivin legt ihre Hände auf ihren gewaltigen Bauch. Sie ist im achten Monat schwanger. „Ich hoffe, ich schaffe es noch bis zum Krankenhaus“, sagt sie, „zu Hause geht es ja nicht“. Sie lacht.

Der Taifun stürzte mehr als vier Millionen „Pinoys“, wie sich die Bewohner des mehr als 7.000 Inseln umfassenden südostasiatischen Staates selbst nennen, in die Obdachlosigkeit. Über zwölf Millionen Menschen bekommen die Auswirkungen der Katastrophe zu spüren. Aber die wenigsten Betroffenen sind so begünstigt, wie Marivin inmitten des Chaos mit heißem Wasser und Kaffeepulver gute Geschäfte zu machen.

Denn der Taifun brach ausgerechnet über die Gegend herein, in der ein Drittel des philippinischen Reises angebaut wird. Die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) machen bereits darauf aufmerksam: „Hunderttausende von Bauern haben ihre Ernte verloren. Außerdem ist nun die Aussaat für die zweite Ernte bedroht.“ Das Finanzministerium in Manila geht davon aus, dass insgesamt 67.000 Hektar Reisanbaufläche ruiniert wurden.

Ohne Ernte bleiben Bargeld und Saatgut aus. Die Bauern müssen Schulden machen, um zu überleben. Erfahrungen aus anderen Ländern sind negativ: Sind Kleinbauern erst einmal verschuldet, können sie nur in den seltensten Fällen aus der Schuldenfalle wieder aussteigen. „Gott sei Dank ist niemand von meiner Familie ums Leben gekommen“, meint Agnes Salimbangon in dem Ort Daanbantayan im Norden von Cebu, „aber alle meine Mangobäume wurden zerstört. Es dauert Jahre, bis sie wieder soweit gewachsen sind, dass ich die Ernte verkaufen kann. Dabei haben wir schon Schulden. Ich habe keine Ahnung, wie wir das schaffen werden.“

600.000 Menschen zwischen Ormoc und Tacloban sicherten ihre Existenz mit dem Verkauf von Kokosnüssen. Aber von den meisten der 22 Millionen Kokospalmen stehen nur noch Stümpfe. „Kokosnussbauern werden hungern“, schlussfolgert Joel Pilapil, ein Vertreter der Philippine Coconut Authority. Die Regierung kündigte zwar eiligst neue Setzlinge an. Aber es dauert zehn Jahre, bis die erste Nuss an der Palme reift. Solange werden nicht nur die Bauern Mangel leiden, sondern auch Seifen- und Shampoo-Fabrikanten.

Gemessen an diesen Existenznöten sind die Sorgen der jungen Mutter leicht, die am Samstag nach dem Taifun vor der Erlöserkirche in Tacloban eine kleine Tochter gebar. Internationale Fernsehsender stürzten sich auf den Säugling, weil das Mädchen angeblich auf den Namen „Yolanda“ getauft wurde – so, wie der Sturm auf den Philippinen hieß.

„Das stimmt gar nicht“, widerspricht Pater Edwin Bacalpos, „sie wollte es Maria Alfons taufen, in Anlehnung an den Heiligen des Erlöserordens. Aber eine Krankenschwester hat kurzerhand den Namen Yolanda aufgeschrieben.“ Jetzt harrt die junge Mutter auf die Wiedereröffnung des Meldeamtes in Tacloban, um den richtigen Namen registrieren zu lassen.


Quelle: Gebende Hände-Redaktion; nach einer Information von: „Berliner Zeitung“, berliner-zeitung.de