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Afghanistan: In der Opium-Hölle |
Meldung vom 04.12.2013
In Afghanistan wird weltweit am meisten Opium hergestellt. Bisher wurde die Droge hauptsächlich für den Export angebaut, doch neuerdings greift die Opiumsucht auch unter den eigenen Leuten um sich.
Unwillkürlich steigen einem Assoziationen zur Hölle auf: Auf der Pul-e-Sokhta, der „Verbrannten Brücke“ am Mazari-Platz in Kabul, quälen sich Autos und Lastwagen an Obstständen, fliegenden Händlern und Schuhputzern vorbei. Nur ein paar Stufen weiter unten beginnt die Finsternis. Dort verläuft ein dreckiges, stinkendes Rinnsal, der Kabul-Fluss. Kaum einen halben Meter breit, führt das Wasser auf seinem Weg durch die Stadt alles mit sich, was die Bewohner wegwerfen wollen: Plastiktüten, Fäkalien, Knochen. Hier treffen sich die Drogenabhängigen der Stadt. Zerlumpte, hagere Gestalten mit leerem Blick streben zur Dunkelheit. Männer kauern sich über einen verrußten Kessel, ziehen mit letzter Kraft eine Decke über den Kopf, um damit die Dämpfe des brennenden Opiums in die Lungen zu ziehen. Andere Gestalten liegen regungslos auf dem Boden wie weggeworfener Müll.
Afghanistan verbucht viele Rekorde: Es ist das ärmste Land außerhalb Afrikas, weist die höchste Müttersterblichkeitsrate und die größte Abhängigkeit von internationalen Geldgebern auf. Und es bietet den Rohstoff für etwa 80 Prozent der weltweiten Opiumproduktion. Noch nie wurden mehr Drogen geerntet als in diesem Jahr, teilte das UN-Büro zur Bekämpfung von Drogen und Kriminalität kürzlich mit. Der größte Teil ist für das Ausland bestimmt. Obwohl Heroin und Opium nirgendwo so günstig sind wie in Afghanistan, war Drogensucht eher unbekannt – oder wurde erfolgreich tabuisiert.
Regierung, Behörden und die Gesellschaft hegen immer noch die Illusion, dass es keine Drogenabhängigen gibt, frei nach der Überzeugung: So etwas tut ein guter Moslem nicht. Doch deren Zahl nimmt rasant zu. Über eine Million, also acht Prozent der erwachsenen Afghanen sind in die Abhängigkeit abgerutscht, doppelt so viele wie im weltweiten Durchschnitt. Die Zahl der Opium-Raucher wuchs binnen vier Jahren um 53 Prozent, die der Heroin-Nutzer um über 140 Prozent. Damit schnellt auch die Zahl der Aids-Infizierten und Hepatitis-Erkrankten in die Höhe. Auch das wurde bisher nicht wahrgenommen.
Die afghanische Nichtregierungsorganisation Nejat (Rettung) schließt davor nicht die Augen, sie hat tagtäglich mit den Folgen zu tun. 1991 im pakistanischen Peshawar ins Leben gerufen, kümmerte sie sich damals um Abhängige in den Flüchtlingslagern. Zwei Jahre nach dem Sturz der Taliban nahm Nejat in Kabul den ersten Stützpunkt in Betrieb. Heute entsendet die Organisation Teams zu den Treffpunkten, gibt dort saubere Spritzen aus, warme Kleidung, Decken und Hygienepäckchen. Die Mitarbeiter kümmern sich medizinisch um akut Erkrankte, sie stärken die Familien und bieten Drogenabhängigen Hilfe an, wenn sie einen Entzug machen wollen.
Eines dieser Entgiftungszentren befindet sich nur zehn Autominuten von der Brücke entfernt und liegt in einem bürgerlichen Viertel. Pro Tag treffen dort manchmal bis zu 30 bis 35 Abhängige ein. Hier können sie sich waschen, erhalten neue Kleidung und Tee und werden über die Regeln aufgeklärt. Jeden Tag müssen sie sich zeigen, sagt der Leiter des Zentrums Tariq Suliman, dürfen weder Drogen konsumieren noch Alkohol trinken oder rauchen. Viele hielten schon die ersten Tage nicht durch, bei anderen sei zu erkennen, dass sie die Therapie nicht durchstehen.
Nur 20 Patienten können pro Monat stationär und weitere 20 Männer ambulant versorgt werden. Über sechs Wochen werden die Entzugskandidaten begleitet, danach steht ihnen Hilfe bei der Wohnungs- und Arbeitssuche zu. „Aber unsere Möglichkeiten sind beschränkt“, meint der Nejat-Direktor. Allein in Kabul gibt es bis zu 25.000 Opium- und bis zu 20.000 Heroinabhängige. Trotz Unterstützung von UN-Behörden und auch Hilfsorganisationen fehlt Geld, um mehr Hilfe zu leisten.
Im Büro sitzen Feroz Nuri, seine Mutter Galander Nuri und sein Vater Karim Mushfiq. Feroz hat ein glattes, bartloses Gesicht, kurze Haare und erscheint wie ein Dreizehnjähriger. Aber er ist 17 und geht aufs Gymnasium. Vor vier Jahren ist er ans Haschisch-Rauchen gekommen, jetzt spritzt er Heroin. Er leiert herunter, was seine Eltern hören wollen: Ja, er möchte in ein normales Leben zurück und später studieren. Ja, er meide seine alten Freunde und werde keine Drogen mehr anrühren. Ihm sei langweilig gewesen, rechtfertigt er sich. Feroz knetet die Hände, er schwitzt und bemüht sich vergeblich, sich dem Gezischel seiner Mutter zu entziehen. Sein 71-jähriger Vater ist still, er scheint sich zu schämen.
Tariq Suleiman, Angestellter der Organisation, stellt nüchtern fest: „Fälle wie der von Feroz nehmen zu,“ meint er, nachdem die Familie den Raum verlassen hat. „Wir haben es immer öfter mit diesen Mittelklasse-Kids zu tun. Die Eltern schauen weg, solange es geht – über die Diebstähle, über das nächtelange Fernbleiben, über aggressive Ausfälle.“ Drogensucht stelle für die ganze Familie ein Gesichtsverlust dar, sagt er. Die Regierung und die meisten Afghanen seien der Auffassung, erklärt er, wir bauen das Zeug zwar an, aber es seien die Ausländer, die es verwenden. „Aber wir müssen endlich akzeptieren,“ meint Tariq Suleiman, „dass Drogen auch unsere Gesellschaft kaputt machen.“
Quelle: Gebende Hände-Redaktion; nach einer Information von: „Berliner Zeitung“, berliner-zeitung.de
Schlagwörter: Afghanistan, Opium, Drogen, Drogensucht, Abhängigkeit, Jugendliche, Kabul, Opiumanbau, Export, Moslem, Tabuisierung, Opiumsucht, Drogenabhängige, Entgiftungszentren, Heroin, Haschisch, Entzug
Unwillkürlich steigen einem Assoziationen zur Hölle auf: Auf der Pul-e-Sokhta, der „Verbrannten Brücke“ am Mazari-Platz in Kabul, quälen sich Autos und Lastwagen an Obstständen, fliegenden Händlern und Schuhputzern vorbei. Nur ein paar Stufen weiter unten beginnt die Finsternis. Dort verläuft ein dreckiges, stinkendes Rinnsal, der Kabul-Fluss. Kaum einen halben Meter breit, führt das Wasser auf seinem Weg durch die Stadt alles mit sich, was die Bewohner wegwerfen wollen: Plastiktüten, Fäkalien, Knochen. Hier treffen sich die Drogenabhängigen der Stadt. Zerlumpte, hagere Gestalten mit leerem Blick streben zur Dunkelheit. Männer kauern sich über einen verrußten Kessel, ziehen mit letzter Kraft eine Decke über den Kopf, um damit die Dämpfe des brennenden Opiums in die Lungen zu ziehen. Andere Gestalten liegen regungslos auf dem Boden wie weggeworfener Müll.
Afghanistan verbucht viele Rekorde: Es ist das ärmste Land außerhalb Afrikas, weist die höchste Müttersterblichkeitsrate und die größte Abhängigkeit von internationalen Geldgebern auf. Und es bietet den Rohstoff für etwa 80 Prozent der weltweiten Opiumproduktion. Noch nie wurden mehr Drogen geerntet als in diesem Jahr, teilte das UN-Büro zur Bekämpfung von Drogen und Kriminalität kürzlich mit. Der größte Teil ist für das Ausland bestimmt. Obwohl Heroin und Opium nirgendwo so günstig sind wie in Afghanistan, war Drogensucht eher unbekannt – oder wurde erfolgreich tabuisiert.
Regierung, Behörden und die Gesellschaft hegen immer noch die Illusion, dass es keine Drogenabhängigen gibt, frei nach der Überzeugung: So etwas tut ein guter Moslem nicht. Doch deren Zahl nimmt rasant zu. Über eine Million, also acht Prozent der erwachsenen Afghanen sind in die Abhängigkeit abgerutscht, doppelt so viele wie im weltweiten Durchschnitt. Die Zahl der Opium-Raucher wuchs binnen vier Jahren um 53 Prozent, die der Heroin-Nutzer um über 140 Prozent. Damit schnellt auch die Zahl der Aids-Infizierten und Hepatitis-Erkrankten in die Höhe. Auch das wurde bisher nicht wahrgenommen.
Die afghanische Nichtregierungsorganisation Nejat (Rettung) schließt davor nicht die Augen, sie hat tagtäglich mit den Folgen zu tun. 1991 im pakistanischen Peshawar ins Leben gerufen, kümmerte sie sich damals um Abhängige in den Flüchtlingslagern. Zwei Jahre nach dem Sturz der Taliban nahm Nejat in Kabul den ersten Stützpunkt in Betrieb. Heute entsendet die Organisation Teams zu den Treffpunkten, gibt dort saubere Spritzen aus, warme Kleidung, Decken und Hygienepäckchen. Die Mitarbeiter kümmern sich medizinisch um akut Erkrankte, sie stärken die Familien und bieten Drogenabhängigen Hilfe an, wenn sie einen Entzug machen wollen.
Eines dieser Entgiftungszentren befindet sich nur zehn Autominuten von der Brücke entfernt und liegt in einem bürgerlichen Viertel. Pro Tag treffen dort manchmal bis zu 30 bis 35 Abhängige ein. Hier können sie sich waschen, erhalten neue Kleidung und Tee und werden über die Regeln aufgeklärt. Jeden Tag müssen sie sich zeigen, sagt der Leiter des Zentrums Tariq Suliman, dürfen weder Drogen konsumieren noch Alkohol trinken oder rauchen. Viele hielten schon die ersten Tage nicht durch, bei anderen sei zu erkennen, dass sie die Therapie nicht durchstehen.
Nur 20 Patienten können pro Monat stationär und weitere 20 Männer ambulant versorgt werden. Über sechs Wochen werden die Entzugskandidaten begleitet, danach steht ihnen Hilfe bei der Wohnungs- und Arbeitssuche zu. „Aber unsere Möglichkeiten sind beschränkt“, meint der Nejat-Direktor. Allein in Kabul gibt es bis zu 25.000 Opium- und bis zu 20.000 Heroinabhängige. Trotz Unterstützung von UN-Behörden und auch Hilfsorganisationen fehlt Geld, um mehr Hilfe zu leisten.
Im Büro sitzen Feroz Nuri, seine Mutter Galander Nuri und sein Vater Karim Mushfiq. Feroz hat ein glattes, bartloses Gesicht, kurze Haare und erscheint wie ein Dreizehnjähriger. Aber er ist 17 und geht aufs Gymnasium. Vor vier Jahren ist er ans Haschisch-Rauchen gekommen, jetzt spritzt er Heroin. Er leiert herunter, was seine Eltern hören wollen: Ja, er möchte in ein normales Leben zurück und später studieren. Ja, er meide seine alten Freunde und werde keine Drogen mehr anrühren. Ihm sei langweilig gewesen, rechtfertigt er sich. Feroz knetet die Hände, er schwitzt und bemüht sich vergeblich, sich dem Gezischel seiner Mutter zu entziehen. Sein 71-jähriger Vater ist still, er scheint sich zu schämen.
Tariq Suleiman, Angestellter der Organisation, stellt nüchtern fest: „Fälle wie der von Feroz nehmen zu,“ meint er, nachdem die Familie den Raum verlassen hat. „Wir haben es immer öfter mit diesen Mittelklasse-Kids zu tun. Die Eltern schauen weg, solange es geht – über die Diebstähle, über das nächtelange Fernbleiben, über aggressive Ausfälle.“ Drogensucht stelle für die ganze Familie ein Gesichtsverlust dar, sagt er. Die Regierung und die meisten Afghanen seien der Auffassung, erklärt er, wir bauen das Zeug zwar an, aber es seien die Ausländer, die es verwenden. „Aber wir müssen endlich akzeptieren,“ meint Tariq Suleiman, „dass Drogen auch unsere Gesellschaft kaputt machen.“
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Quelle: Gebende Hände-Redaktion; nach einer Information von: „Berliner Zeitung“, berliner-zeitung.de
Schlagwörter: Afghanistan, Opium, Drogen, Drogensucht, Abhängigkeit, Jugendliche, Kabul, Opiumanbau, Export, Moslem, Tabuisierung, Opiumsucht, Drogenabhängige, Entgiftungszentren, Heroin, Haschisch, Entzug