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Indien: Der stille Ort als Großprojekt

Meldung vom 19.11.2014

In Indien nimmt Premierminister Narendra Modi ein großes Problem in Angriff: Endlich sollen hygienische Lebensbedingungen hergestellt werden. Die Regierung will innerhalb weniger Jahre Toiletten für alle 1,25 Milliarden Einwohner einrichten. Die katastrophalen Umstände bislang haben Krankheiten und Vergewaltigungen begünstigt.

„Brüder und Schwestern“, rief Narendra Modi in seiner ersten Rede zum Unabhängigkeitstag mit Pathos in der Stimme, „ihr müsst schockiert darüber sein, dass der Premierminister von Sauberkeit und der Notwendigkeit zum Toilettenbau spricht.“ Doch stamme er – übrigens anders als die meisten seiner Amtsvorgänger – selbst aus einer armen Familie. „Ich weiß, wie Armut aussieht.“

Wenig später formulierte Modi sich und dem Land ein ehrgeiziges Ziel: In fünf Jahren soll jeder der 1,25 Milliarden Inder Zugang zu sanitären Einrichtungen haben. Kein kleines Projekt, denn nach jüngsten Statistiken erleichtert sich etwa die Hälfte der Inder auf dem Feld oder hinter der nächsten Ecke. In dem Land kommen ein Drittel aller Freiluft-Klogänge weltweit vor.

Daraus resultieren Durchfallerkrankungen, Parasiten und Tuberkulose; auch die in Indien weit verbreitete Unterernährung von Kindern und Kleinwuchs haben Wissenschaftlern zufolge etwas mit dem Toilettenmangel zu tun. Schon der Vater der Nation, Mahatma Gandhi, war wütend über die Unsauberkeit seiner Landsleute. „Der Grund für viele unserer Krankheiten ist der Zustand unserer Bäder, und unsere Angewohnheit, unsere Exkremente immer und überall loszuwerden“, empörte er sich 1925.

Auch vorherige Regierungen versuchten, das Problem anzupacken. Doch unzählige Programme scheiterten – immer wieder wurden die Toiletten in den Slums und in den Dörfern nach dem Abzug der Helfer zum Ziegenstall und Lagerplatz umfunktioniert. Oder die Finanzen dafür versickerten gleich in den tiefen Taschen der Beamten.

In Mator etwa, einem 5.000-Einwohner-Ort irgendwo mitten in den Zuckerrohrplantagen von Uttar Pradesh im Norden Indiens, haben die Bewohner noch kein Geld für Toiletten gesehen. Und selbst zur Verfügung stellen könnten sie die 500 bis 1.300 Euro für ein stilles Örtchen nicht, sagen die Bewohner. Also laufen die meisten über die Nationalstraße auf die Felder und knien sich dort neben dem Stacheldrahtzaun, der die Pflanzen schützen soll, nieder.

„Mein sechsjähriger Arun wurde auf dem Highway von einem Lastwagen überrollt, als er am Morgen vom Feld zurückkam. Er starb auf dem Weg ins Krankenhaus“, berichtet Radha Devi eine der unzähligen tragischen Toilettengeschichten in dem Ort. Sofort habe die Familie sich Geld geliehen, um ein winziges Bad zu bauen, erzählt die 36-Jährige. „Wir hätten nicht noch eine Tragödie ertragen können.“

Eine andere traurige Geschichte trägt sich nur wenige Häuser weiter zu. Deepak Kumar, ein hochgewachsener Bursche in rotem, ärmellosem Shirt, kann keine Frau für sich gewinnen. „Einmal hat der Vater des Mädchens meine Familie getroffen, um die arrangierte Ehe zu diskutieren“, erläutert der 23-Jährige. „Es war fast beschlossene Sache, als er begann, nach einer Toilette zu fragen. Er sagte, er würde seine Tochter nie in einen Haushalt geben, in dem es keine Toilette gibt.“

Allerdings ist es nicht genug, wenn dann – wie so häufig in Indien – nur die Frauen auf die Toilette gehen. Dadurch verbessern sich die hygienische Lage und damit die Gesundheitslage nicht nachhaltig. Denn mit den gefährlichen Bakterien kommt man dann noch immer überall in Kontakt.

Indien benötigt also nicht nur den Bau von Latrinen, sondern auch Aufklärung bei der Benutzung des stillen Örtchens. In mehr als einem Drittel der Familien, die über irgendeine Form von Toilette verfügen, weigert sich mindestens ein Familienmitglied, diese zu benutzen.

Das trifft auch auf Shripal zu, einen 62 Jahre alten Landarbeiter mit nur einem Namen, der ebenfalls in Mator lebt. Vor sechs Monaten errichtete er eine Toilette. „Das Weibsvolk und die Kinder benutzen sie, weil sie Probleme haben rauszugehen“, erklärt er, und bezieht sich damit auf die Vergewaltigung zweier Cousinen in Badaun. Die Mädchen dort – gar nicht so weit entfernt von Mator – hatten sich abends aufs Feld geschlichen und waren am Morgen erhängt in einem Mangobaum entdeckt worden. Doch für ihn selbst kämen Toiletten nicht in Frage, meint Shripal. „Ich bin schon immer hinaus ins Freie gegangen. Ich bin das so gewohnt.“




Quelle: Gebende Hände-Redaktion; nach einer Information von: „Welt Online“, welt.de

Schlagwörter: Indien, Toilette, Hygiene, Gesundheit, sanitäre Einrichtungen, Krankheiten, Vergewaltigung, Frauen, Natur, Umwelt, Narendra Modi, Slums, Dörfer, Unrat, Schmutz, Aufklärung