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Indien: Die heilige Kuh – Hindus verbieten das Schlachten von Rindern

Meldung vom 20.03.2015

Ab sofort ist die Kuh unantastbar: In Indien werden neue Gesetze verabschiedet, die die religiösen Einstellungen der Hindu-Nationalisten widerspiegeln. Dazu gehört die Auffassung, dass die Kuh heilig ist. Nun wollen die Hindu-Nationalisten das Schlachten von Kühen im ganzen Land untersagen. Doch da entsteht ein Konflikt: Ausgerechnet Indien entwickelt sich gerade zum größten Rindfleisch-Exporteur der Welt.

„Eine Kuh lebt in Indien sicherer als eine Frau!“, schimpft eine Nutzerin bei Twitter namens „Angry Bombay Girl“. Das ist ein wenig übertrieben. Doch seit der westindische Bundesstaat Maharashtra kürzlich per Gesetz verboten hat, Rinder zu schlachten oder zu essen, gerät jene Minderheit der indischen Öffentlichkeit in Rage, welche die Kuh als ein relativ gewöhnliches Nutztier einstuft. Die Kuh sorgt in der indischen Gesellschaft für eine Spaltung.

Kühe gelten den Hindus als heilig, und da nicht nur über 80 Prozent der 1,2 Milliarden Inder dem hinduistischen Glauben nachfolgen, sondern mit Premierminister Narendra Modi nun auch wieder ein Hindu-Nationalist das Zepter in der Hand hat, haben Andersgläubige gerade wenig Mitspracherecht.

Trottet einer jener gleichmütigen Wiederkäuer gemächlich über eine indische Straße, bildet sich ein großer Stau. Jeder Autofahrer nimmt Rücksicht. Die Kühe sind abgemagert, aber ihnen wird kein Haar gekrümmt. Denn das heilige Rind stellt für die Hinduisten die irdische Verkörperung der Göttin Kamadhenu dar. Das mit Respekt behandelte Tier ist „Gau Mata“, die „Kuhmutter“. Und so darf ein solcher Paarhufer nicht angetastet oder gefährdet werden. Rindfleisch zu verzehren ist für Hindus ein absolutes Tabu.

Das Gesetz, das seit der letzten Woche in Maharashtra wirksam ist, schreibt fünf Jahre Gefängnis und 10.000 Rupien Geldstrafe vor – das sind umgerechnet rund 150 Euro – für jeden, der das rote Fleisch konsumiert oder damit Handel betreibt. Das Verbot umfasst neuerdings jegliches Rind: Büffel-, Ochsen- und Kalbfleisch bilden kein Ausnahme.

“Endlich!“, frohlocken strenggläubige Hinduisten, die am liebsten die ganze Bevölkerung zum Vegetarier-Dasein bekehren würden. Die regierende Bharatiya Janata Partei (BJP) hatte seit zwanzig Jahren in dem zweitgrößten Bundesstaat für diese „Maharashtra Animal Preservation Bill“ gestritten. Die Hardliner unter den Hindu-Nationalisten engagieren sich dafür, das Verbot so bald wie möglich auf das ganze Land auszuweiten. Doch viele Christen und vor allem Moslems beanstanden das Gesetz. Sie sagen, es unterdrücke Minderheiten und gefährde Zehntausende Arbeitsplätze.

Die Auswirkungen sind schon messbar: Unmittelbar nachdem das neue Gesetz in Kraft getreten ist, mussten zahlreiche Schlachtereien in Mumbai, der größten Handelsmetropole Indiens, ihren Betrieb einstellen. Gleichzeitig wurden Rindfleischgerichte von den Speisekarten der Restaurants verbannt.

Aber der Streit um die heiligen Kühe zieht nicht nur Metzger und Köche in Mumbai in Mitleidenschaft, sondern das ganz große Geschäft ist betroffen. Denn Indien mausert sich inzwischen zum weltweit größten Exporteur von Rindfleisch und sticht dabei gerade Brasilien aus. Allein zwischen 2012 und 2013 hat Indien 1,4 Millionen Tonnen davon ausgeführt – Einnahmen von umgerechnet 4,2 Milliarden Euro. Rindfleisch hat inzwischen sogar den Basmatireis als den umsatzstärksten landwirtschaftlichen Exportartikel hinter sich gelassen.

Das neue Verbot verschärft gleichzeitig auch die Konflikte zwischen den Religionsgruppen. Denn von der Rindfleischzucht, den Schlachthöfen und dem Rindfleischhandel leben überwiegend Muslime. Außerdem haben die ärmeren Inder kein Geld für Hühner- oder Schweinefleisch – für sie ist Rind die preiswerteste Proteinquelle. Sie bekommen nun besonders die Folgen des strengen Gesetzes zu spüren.

Der Rinderstreit ist, so beobachtet Venkatesh Abdev vom World Hindu Council, „sehr emotional“. Und immer öfter kommt es auch zu Gewaltausbrüchen: Militante Hindus, durch das neue Gesetz ins Recht gesetzt, greifen Lastwagen an, die das Fleisch transportieren. Metzgereien werden überfallen, muslimische Schlachter werden Opfer von Anfeindungen und körperlicher Gewalt.

Dass der Streit um die Rinder derzeit mehr Raum einnimmt, als die Frage nach der Sicherheit für Frauen in dem Land, sorgt zusätzlich für Unmut. Viele vergleichen den Einsatz, mit dem in einem „Land der Vergewaltigungen“ um das Wohlergehen der Rindviecher gerungen wird, zynisch mit dem fehlenden Engagement für Frauen: „Fünf Jahre Gefängnis für den Besitz von Rindfleisch, nur zwei Jahre für sexuelle Belästigung! Ist es gefährlicher, Rind zu essen, als Frauen zu schikanieren?“, entrüstet sich ein Ruben Mascarenhas. Und eine Neeti Palta stellt sarkastisch fest: „Gut zu wissen, dass eine Kuh nun nach Einbruch der Dunkelheit rausgehen kann und sogar anziehen kann, was sie möchte!“




Quelle: Gebende Hände-Redaktion; nach einer Information von: „Welt Online“, welt.de

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