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Indien: Und wo bleiben die Tiger? – Indien will 37 Flüsse miteinander verbinden |
Meldung vom 12.11.2015
Eine Sache hat sich Indiens Premier Narendra Modi groß auf seine Fahnen geschrieben: Entwicklung um jeden Preis. Jetzt plant die Regierung ein gigantisches Projekt: 37 Flüsse sollen miteinander verbunden werden. Das soll dem Land wirtschaftliche Vorteile verschaffen. Doch Tausende Bewohner und Tiere verlieren damit ihren Lebensraum. Sie müssen umgesiedelt werden.
Das Dorf Dodhan inmitten von Indiens Tigerreservat Panna leidet unter anhaltender Trockenheit. Junge Frauen ziehen mühsam Wasser aus einem fast ausgetrockneten Brunnen, während eine Gruppe Männer auf dem staubigen Boden im Schatten in der Nähe sitzt. Vom Fluss Ken, der eigentlich das Naturschutzgebiet mit seinen Tigern, Krokodilen, Geiern und zehn Stammesdörfern bewässert, ist nur noch ein wenig Morast übrig. Dennoch soll auch noch das wenige Wasser, was die Gegend hat, bald abgeschöpft werden.
Die Zentralregierung will einen Staudamm in dem Wasserlauf bauen und jedes Jahr 660 Millionen Kubikmeter in den Fluss Betwa im benachbarten Bundesstaat Uttar Pradesh abzweigen. Für das Projekt wird ein Drittel des Parks unter Wasser gesetzt – dabei müssen 1.600 Familien ihren Grund und Boden verlassen. Dazu kommen noch die 32 Tiger des Reservats. Sie werden durch das ehrgeizige Projekt von anderen Schutzgebieten abgetrennt. Das Projekt sei „ein zukünftiges soziales und ökologisches Desaster“, schimpft ein Umweltschützer. Im Dezember 2015 schon soll das Projekt in Angriff genommen werden.
Die Bewohner von Dodhan erhielten zum ersten Mal eine Ahnung von dem Projekt, als die Bauunternehmer bereits bei ihnen vor der Tür standen. „Ich weiß nicht, was die Regierung mit diesem Land vorhat, aber ich weiß, wie sehr sie es will“, betont Jamuni, eine Frau über 70, die ihr Gesicht in der Öffentlichkeit mit dem Ende ihres ausgewaschenen rosafarbenen Sari verhüllt. Sie kündigt an, das Land ihrer Vorfahren erst zu verlassen, wenn sie eine gewaltige Geldsumme ausgezahlt bekäme.
Viele der Dorfbewohner haben keinerlei Ahnung, wie viel ihr Boden wert sein könnte. Sie nennen verschiedenste Zahlen. „Fünf Millionen Rupien (69.000 Euro)“, verlangt etwa Jamuni, die von sich behauptet, ihr Nachname sei „Adivasi“, das Hindi-Wort für Ureinwohner. Der örtliche Aktivist Ashish Sagar weiß es besser: „Diese Menschen werden nur eine dürftige Summe für ihr Land bekommen und müssen dann verschwinden – alles im Namen des Fortschritts.“
Noch wartet man für die Errichtung des Dammes und den Bau des 220 Kilometer langen Kanals auf die endgültige Genehmigung durch einen Ausschuss, der vom Obersten Gericht eingesetzt wurde. Die Regierung treibt die Entscheidung voran.
Das Projekt in Panna ist die erste Stufe eines gigantischen Programms, das die Verbindung von 37 indischen Flüssen zum Ziel hat. Das mehr als 150 Milliarden Euro teure Vorhaben soll Indiens lang anhaltende Schwierigkeiten mit Fluten und Dürren in den verschiedenen Landesteilen lösen. Die zuständige Behörde für Wasserentwicklung NWDA behauptet, durch die Dämme und Kanäle könnten Felder bewässert, Strom produziert sowie Häuser und Fabriken mit Wasser versorgt werden.
Flussökologe Brij Gopal vom unabhängigen Zentrum für Binnengewässer sieht das anders. Er warnt vor Schäden für die Umwelt, wenn in den Mündungen der Flüsse plötzlich weitaus weniger Wasser wäre. Auf der anderen Seite habe übermäßige Bewässerung zur Folge, dass die fruchtbare Erde fortgeschwemmt werde, warnt Himraj Dang, ein Infrastruktur-Berater in Neu Delhi. Und ein weiterer Einwand: „Es ergibt keinen Sinn, zwei Flüsse zu verbinden, die den Monsunregen zur gleichen Zeit abbekommen.“
Solche engstirnigen Umweltschützer hätten die großen Zusammenhänge nicht im Blick, meint ein NWDA-Mitarbeiter, der seinen Namen nicht nennen wollte. „Sie vergessen leicht, dass eigentlich die Armut Indiens größtes Übel ist“, unterstrich er. Wirtschaftliche Entwicklung sei vordringlich, um das Lebensniveau der Menschen zu erhöhen.
Doch was wird aus den Tigern? Die Bewohner in Panna sind besorgt über den Umgang mit der wichtigsten Einnahmequelle der verarmten Region: den Tigern. Durch den Stausee würden die Tiere des Reservats von benachbarten Tiger-Populationen isoliert, sagt Raghu Chundawat, ein Wissenschaftler, der seit 1995 die Tiger in Panna observiert. „Die Raubkatzen müssen dann in andere Richtungen gehen, was zu Konflikten zwischen Mensch und Tier führen wird, und wohl auch zu mehr Wilderei“, warnt er.
Um 2000 wurden in dem Nationalpark schon einmal alle Tiger durch Wilderer getötet. Umgerechnet mehr als neun Millionen Euro wurden investiert, um die Tiere wieder in Panna anzusiedeln. „Menschen haben sich für dieses Projekt aufgeopfert“, meint ein Mitarbeiter des Tiger-Reservats. „Es wurde als riesiger Erfolg gefeiert. Aber die neue Regierung hat eine Agenda einführt, in der die wirtschaftliche Entwicklung den Tiger aussticht.“
Quelle: Gebende Hände-Redaktion; nach einer Information von: „Spiegel Online“, spiegel.de
Schlagwörter: Indien, Entwicklung, Projekt, Flüsse, Bewässerung, Verbindung, Staudamm, Tiger, Fauna, Flora, Umwelt, Umweltschutz, Reservat, Naturschutzreservat, Raubkatze, Zwangsumsiedlung, Dodhan, Narendra Modi, Panna, Strom, Wirtschaft, Dürre, Wasser, Mündung, Ökologie
Das Dorf Dodhan inmitten von Indiens Tigerreservat Panna leidet unter anhaltender Trockenheit. Junge Frauen ziehen mühsam Wasser aus einem fast ausgetrockneten Brunnen, während eine Gruppe Männer auf dem staubigen Boden im Schatten in der Nähe sitzt. Vom Fluss Ken, der eigentlich das Naturschutzgebiet mit seinen Tigern, Krokodilen, Geiern und zehn Stammesdörfern bewässert, ist nur noch ein wenig Morast übrig. Dennoch soll auch noch das wenige Wasser, was die Gegend hat, bald abgeschöpft werden.
Die Zentralregierung will einen Staudamm in dem Wasserlauf bauen und jedes Jahr 660 Millionen Kubikmeter in den Fluss Betwa im benachbarten Bundesstaat Uttar Pradesh abzweigen. Für das Projekt wird ein Drittel des Parks unter Wasser gesetzt – dabei müssen 1.600 Familien ihren Grund und Boden verlassen. Dazu kommen noch die 32 Tiger des Reservats. Sie werden durch das ehrgeizige Projekt von anderen Schutzgebieten abgetrennt. Das Projekt sei „ein zukünftiges soziales und ökologisches Desaster“, schimpft ein Umweltschützer. Im Dezember 2015 schon soll das Projekt in Angriff genommen werden.
Die Bewohner von Dodhan erhielten zum ersten Mal eine Ahnung von dem Projekt, als die Bauunternehmer bereits bei ihnen vor der Tür standen. „Ich weiß nicht, was die Regierung mit diesem Land vorhat, aber ich weiß, wie sehr sie es will“, betont Jamuni, eine Frau über 70, die ihr Gesicht in der Öffentlichkeit mit dem Ende ihres ausgewaschenen rosafarbenen Sari verhüllt. Sie kündigt an, das Land ihrer Vorfahren erst zu verlassen, wenn sie eine gewaltige Geldsumme ausgezahlt bekäme.
Viele der Dorfbewohner haben keinerlei Ahnung, wie viel ihr Boden wert sein könnte. Sie nennen verschiedenste Zahlen. „Fünf Millionen Rupien (69.000 Euro)“, verlangt etwa Jamuni, die von sich behauptet, ihr Nachname sei „Adivasi“, das Hindi-Wort für Ureinwohner. Der örtliche Aktivist Ashish Sagar weiß es besser: „Diese Menschen werden nur eine dürftige Summe für ihr Land bekommen und müssen dann verschwinden – alles im Namen des Fortschritts.“
Noch wartet man für die Errichtung des Dammes und den Bau des 220 Kilometer langen Kanals auf die endgültige Genehmigung durch einen Ausschuss, der vom Obersten Gericht eingesetzt wurde. Die Regierung treibt die Entscheidung voran.
Das Projekt in Panna ist die erste Stufe eines gigantischen Programms, das die Verbindung von 37 indischen Flüssen zum Ziel hat. Das mehr als 150 Milliarden Euro teure Vorhaben soll Indiens lang anhaltende Schwierigkeiten mit Fluten und Dürren in den verschiedenen Landesteilen lösen. Die zuständige Behörde für Wasserentwicklung NWDA behauptet, durch die Dämme und Kanäle könnten Felder bewässert, Strom produziert sowie Häuser und Fabriken mit Wasser versorgt werden.
Flussökologe Brij Gopal vom unabhängigen Zentrum für Binnengewässer sieht das anders. Er warnt vor Schäden für die Umwelt, wenn in den Mündungen der Flüsse plötzlich weitaus weniger Wasser wäre. Auf der anderen Seite habe übermäßige Bewässerung zur Folge, dass die fruchtbare Erde fortgeschwemmt werde, warnt Himraj Dang, ein Infrastruktur-Berater in Neu Delhi. Und ein weiterer Einwand: „Es ergibt keinen Sinn, zwei Flüsse zu verbinden, die den Monsunregen zur gleichen Zeit abbekommen.“
Solche engstirnigen Umweltschützer hätten die großen Zusammenhänge nicht im Blick, meint ein NWDA-Mitarbeiter, der seinen Namen nicht nennen wollte. „Sie vergessen leicht, dass eigentlich die Armut Indiens größtes Übel ist“, unterstrich er. Wirtschaftliche Entwicklung sei vordringlich, um das Lebensniveau der Menschen zu erhöhen.
Doch was wird aus den Tigern? Die Bewohner in Panna sind besorgt über den Umgang mit der wichtigsten Einnahmequelle der verarmten Region: den Tigern. Durch den Stausee würden die Tiere des Reservats von benachbarten Tiger-Populationen isoliert, sagt Raghu Chundawat, ein Wissenschaftler, der seit 1995 die Tiger in Panna observiert. „Die Raubkatzen müssen dann in andere Richtungen gehen, was zu Konflikten zwischen Mensch und Tier führen wird, und wohl auch zu mehr Wilderei“, warnt er.
Um 2000 wurden in dem Nationalpark schon einmal alle Tiger durch Wilderer getötet. Umgerechnet mehr als neun Millionen Euro wurden investiert, um die Tiere wieder in Panna anzusiedeln. „Menschen haben sich für dieses Projekt aufgeopfert“, meint ein Mitarbeiter des Tiger-Reservats. „Es wurde als riesiger Erfolg gefeiert. Aber die neue Regierung hat eine Agenda einführt, in der die wirtschaftliche Entwicklung den Tiger aussticht.“
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Quelle: Gebende Hände-Redaktion; nach einer Information von: „Spiegel Online“, spiegel.de
Schlagwörter: Indien, Entwicklung, Projekt, Flüsse, Bewässerung, Verbindung, Staudamm, Tiger, Fauna, Flora, Umwelt, Umweltschutz, Reservat, Naturschutzreservat, Raubkatze, Zwangsumsiedlung, Dodhan, Narendra Modi, Panna, Strom, Wirtschaft, Dürre, Wasser, Mündung, Ökologie