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Äthiopien: Jeder Tag ein Überlebenskampf

Meldung vom 18.04.2016

Äthiopien ringt mit den Auswirkungen einer Dürre. Es ist die heftigste seit 50 Jahren. Für die Menschen gleicht derzeit jeder Tag einem Überlebenskampf. Zwar ist die Regierung besser auf die drohende Hungerkatastrophe vorbereitet als in den 1980er-Jahren, als die Medien weltweit die Bilder des alptraumhaften Massensterbens übertrugen. Trotzdem drohen das Wetterphänomen El Niño und der Klimawandel die entwicklungspolitischen Errungenschaften der letzten Jahre zu vernichten.

Herb und stark duftet der Kaffee, den Zahara Mohammed ihren Gästen aus einer tönernen Kanne ausgießt. Die 50-jährige Äthiopierin hat in den vergangenen Monaten fast alles verloren, was ihr jemals gehörte. Ihre 30 Kühe sind gestorben, die Hälfte ihrer einst 200 Ziegen ist ebenfalls tot. Aber Zahara Mohammed ist Nomadin aus dem Volk der Afar, und als Nomadenfrau kann sie nichts von der Gastfreundschaft abbringen, selbst im größten Elend.

„Die meisten unserer Tiere sind verendet. Von denen, die bis jetzt überlebt haben, sind viele mehr tot als lebendig. Aber am Himmel sehen wir ein paar Wolken. Wir hoffen natürlich, dass wir bald Regen kriegen, so Gott will. Nur bliebe unsere Situation dann immer noch sehr schwierig. Jetzt schon sind nicht nur die Tiere betroffen, sondern auch die Menschen“, sagt sie.

Bei ihren drei jüngsten Enkelkindern sieht man jede einzelne Rippe, meint Zahara Mohammed. So wie auch bei den anderen Kleinkindern in der Region. Die Regierung ist sich dieser Not bewusst. Bisweilen reisen Angestellte aus der regionalen Hauptstadt Samara an, sie legen über 100 Kilometer unwegsame Piste aus Staub und Geröll bis hierher zu ihnen zurück. Hier im Weiler namens Maagidayto messen sie dann den Umfang der Oberarme aller Kinder, um den Grad der Unterernährung festzustellen. Danach seien sie im Bilde, wie kritisch die Lage sei. Die 50-jährige Nomadin berichtet auch, dass zwei Mal ein Team von Helfern kam und Ergänzungsnahrung für die Kinder verteilte. Das war nur ein Tropfen auf dem heißen Stein, sagt die hagere Frau.

Debrew Ayele stimmt dem zu. Er ist angestellt in der Abteilung der Regionalregierung, die für das Frühwarnsystem und die Hilfe im Notfall verantwortlich ist. „Die Regierung unterhält ein Sozialhilfeprogramm und Nothilfeprogramme. Außerdem spenden Privatleute für die Bedürftigen, und die internationalen Hilfsorganisationen unterstützen uns. Sie verteilen Viehfutter, Impfstoff für die Tiere und päppeln schwer unterernährte und mangelernährte Kinder auf. Insgesamt ist die Situation also sehr kritisch, aber alle Regierungsstellen und alle Hilfsorganisationen tun, was sie können, um zu helfen. Allerdings reicht das alles nicht.“

Denn die Regierung und die Helfer haben zu wenig finanzielle Mittel. Das beklagt auch das große Welternährungsprogramm (WFP). Dessen Leiter in Äthiopien John Ayclieff gibt zu: „Wir brauchen allein für dieses Jahr 950 Millionen US-Dollar, haben aber nur 150 Millionen bekommen. Wir sind also massiv unterfinanziert. Angesichts unserer Finanznot ist die äthiopische Regierung eingesprungen und hat mehr als 400 Millionen Dollar für die Nothilfe zur Verfügung gestellt. Das meiste davon floss in die Verteilung von Lebensmitteln.“

Auf diese Hilfe sind zurzeit gut zehn Millionen Äthiopier angewiesen. Hinzu kommen acht Millionen Menschen, die regelmäßig staatliche Unterstützung erhalten. Die äthiopische Regierung arbeite mit aller Kraft daran, eine Hungerkrise zu vermeiden. „Das ist ja auch die Verantwortung einer Regierung. Wir sind dieser Verantwortung nachgekommen.“

Mitiku Kassa ist stolz auf das Programm der Regierung, er leitet die Nothilfeagentur der Zentralregierung in Addis Abeba. Die hat zehn Prozent ihres Jahresbudgets für die Nothilfe verfügbar gemacht. Mitiku Kassa unterstreicht, dass sein Land dieses Geld ohne das Wirtschaftswachstum der vergangenen Jahre nicht hätte aufbringen können. Trotz allem Respekt vor der Leistung der Regierung gibt es aber auch kritische Stimmen. Viel zu lange, so sind sich die Helfer einig, habe die Regierung sich bemüht, die Auswirkungen der Dürre zu bagatellisieren. Viel zu spät habe sie das Ausland eingeschaltet.

Mohammed Yusuf, Vater von fünf Kindern, ist immer noch wie versteinert von dem Schock, die Tiere von Maagidayto zu hunderten verenden zu sehen. „Allein ich habe 15 Rinder und 100 Ziegen verloren. Mir sind nur drei Kühe und zehn Ziegen geblieben.“ Man kann das vergleichen mit der Krise eines Deutschen, dessen Einfamilienhaus abgebrannt und dessen Konto leergeräumt wurde. Denn die Nomaden ernähren sich bis heute von der Milch ihrer Tiere und tauschen auf dem Markt ihre Ziegen gegen heimische Hirse oder Sorghum. Zurzeit ist ihr abgemagertes Vieh aber kaum mehr etwas wert: Ein Sack Getreide gegen eine Ziege ist das übliche Entgelt. Jetzt muss er zwei Ziegen dafür hergeben, und wenn die Tiere sehr kümmerlich und mager sind, kostet der Sack Getreide auch vier. Um seine Familie einigermaßen zu ernähren, benötigt Mohamed zwei Säcke im Monat, beim gegenwärtigen Kurs muss er dafür vier bis acht Ziegen entrichten. Er kann sich einfach ausrechnen, wie lange er sich mit seinen sieben Ziegen über Wasser halten kann.

Ein Hoffnungsschimmer: Immerhin gibt es in Maagidayto derzeit Wasser. Einen Tag lang hat es kürzlich geregnet, berichtet dieser Mann. Danach stand der Wasserpegel in den beiden Zisternen hoch. Die Deutsche Welthungerhilfe hat die betonierten und überdachten Auffangbecken für Regenwasser in Maagidayto schon vor acht Jahren finanziert, jetzt in der Not erweisen sie sich als sehr nützlich. Rund 300 davon gibt es in Afar, sie sind Teil der jahrzehntelangen Entwicklungshilfe aller Partner, die darauf abzielte, die Bevölkerung widerstandsfähig zu machen gegen die regelmäßig wiederkehrenden Dürreperioden. Deshalb wurden auch Dämme errichtet, um Wasser für das Vieh zu speichern, landesweit Weideland und Ackerflächen in Terrassen angelegt, neue Maßnahmen für den Erosionsschutz ausprobiert. All diese Bemühungen waren nicht vergeblich, immerhin sind bisher keine Menschen ums Leben gekommen, trotz der schwersten Dürre in vielen Jahrzehnten.

Weil die Menschen in Maadigayto sehr enthaltsam sind und ökonomisch mit dem Wasser umgehen, reicht es nun schon seit einer Woche. Ein Tag Regen entspricht sechs bis sieben Tanklastern mit Wasser. Auch junge und schwache Tiere erhalten sofort eine Ration Wasser, sie müssen für den Aufbau einer neuen Herde unbedingt gerettet werden. Nur die Kräftigen müssen ihr Wasser weiterhin anderswo suchen, damit der Zisterneninhalt so lange wie möglich für die Menschen verwendet werden kann. Währenddessen ist die Stimmung in Maagidayto an diesem Nachmittag nicht ganz so hoffnungslos: Der Himmel ist schwer von Wolken, vielleicht kommt noch einmal ein segensreicher Guss von oben.




Quelle: Gebende Hände-Redaktion; nach einer Information von: „Deutschlandfunk“, dradio.de

Schlagwörter: Äthiopien, Dürre, Wasser, Regen, Vieh, Nomaden, Hunger, Hungerkrise, Regierung, Nothilfeprogramm, Welternährungsprogramm, Frühwarnsystem, Ziegen, Kühe, Vieh, verendet, Durst, Klima, Klimawandel, El Niño, Unterernährung, Hilfsgüter, Maagidayto