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Uganda: Das ferne Paradies – Warum viele Ugander ihr Land verlassen

Meldung vom 11.07.2016

Ein übler Geruch hängt in der Luft. An jeder Ecke anders, aber nirgendwo so, dass man eine Pause einlegen möchte. Aus den glimmenden wilden Müllkippen weht beißender Rauch auf die Straßen, die mobilen Garküchen verpesten die Luft mit der Verbrennung von Holzkohle. Auf den Straßen tuckern Dieselfahrzeuge. Diese alten Autos stoßen dunkle Qualmwolken aus. Und zwischen den Lehmhütten schiebt sich faulig riechende Kloake durch offene Gräben.

Doch nun soll daran endlich etwas getan werden, in der Hauptstadt Kampala ebenso wie im Rest des Landes. Präsident Yoweri Museveni, der sich Mitte Mai 2016 erneut für das Amt nominieren ließ, fing das 31. Jahr seiner Machtstellung mit einer Reihe von Maßnahmen an. So soll etwa der Qualm von nun an aus dem öffentlichen Leben verbannt werden. Ab sofort ist das Rauchen in Restaurants, Hotels und auf öffentlichen Plätzen untersagt. Wer in einer Entfernung von weniger als fünfzig Metern von einer Schule, einem Krankenhaus oder einem Taxistand eine Zigarette raucht, muss umgerechnet sechzig Dollar Strafe entrichten oder landet für zwei Monate im Gefängnis. Nicht gestattet ist auch der Verkauf einzelner Zigaretten, von aromatisiertem Tabak für Wasserpfeifen und von E-Zigaretten. Raucher unter 21 Jahren haben kaum noch Aussichten, legal in den Besitz von Glimmstängeln zu kommen. Wahrlich, ein großer Fortschritt im Kampf gegen die Luftverschmutzung in Ugandas Stadtzentren!?

Natürlich wird alles unter dem moralischen Gebot des gesünderen Lebens abgehandelt, und dagegen lässt sich nur wenig einwenden. Wer in die Gegebenheiten des Landes ein wenig eingeweiht ist, kann zudem davon ausgehen, dass sich dieses Gesetz wie viele andere angesichts der unter den Gesetzeshütern wuchernden Korruption (Polizisten gehören zu den am schlechtesten bezahlten Staatsdienern) kaum wird realisieren lassen. Und dennoch gehört auch jene Verordnung zu einer Reihe von Entscheidungen, die Museveni immer deutlicher als Diktator entlarven.

Doch der Staatschef wiegt sich in Sicherheit. Er weiß, dass der „Westen“ – der hier der „Norden“ ist – kaum eingreifen wird. Der Despot – oder „Diktator light“, wie er im eigenen Lande verhohlen bezeichnet wird – kann sich so sicher fühlen wie sein türkischer Kollege am Bosporus. Denn der Westen ist auf den Mann angewiesen. Erst jüngst hatte der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier das Museveni-Regime als „Stabilitätsanker“ in Ostafrika gewürdigt. Die Entwicklungshilfe, von der die herrschende Elite des Landes profitiert und die für eine Festigung der bestehenden Ordnung sorgt, wird weiter in die Kassen gespült.

Da tut es auch nichts zur Sache, dass Museveni seine politischen Gegner ins Gefängnis wirft: Sein ehemaliger Leibarzt, Exminister und Gegenspieler Kizza Besigye war während des Wahlkampfs sechsmal festgenommen und unter Hausarrest gestellt worden; seit Pfingstmontag muss der 60jährige Politiker wegen „Hochverrats“ im Hochsicherheitsgefängnis Luzira in Kampala ausharren.

Gnädig sieht man auch darüber hinweg, dass der Präsident seinen 42 Jahre alten Sohn Muhoozi Kainerugaba kürzlich zum Generalmajor und zum Chef einer Spezialeinheit der Streitkräfte befördert hat – womit offenkundig an einer Weichenstellung zur dynastischen Machtübergabe gearbeitet wurde, mindestens aber Vorsorge getroffen wurde, dass Museveni später nicht strafrechtlich verfolgt wird. Und egal auch, ob das soziale Netzwerk Facebook im Land blockiert wird und repressive Gesetze das Land überschwemmen: Der Westen, insbesondere die EU, gibt Museveni auch deshalb Rückendeckung, weil er ihm Flüchtlinge aus Ostafrika fern hält.

Viele Menschen wollen raus aus Uganda, insbesondere die jungen und gut ausgebildeten. Die Makerere-Universität in Kampala – sie gilt als eine der besten Universitäten in ganz Afrika – bringt jedes Jahr 13.000 Absolventen hervor. In ihrer Heimat haben sie kaum Aussicht auf einen Arbeitsplatz, also gehen sie ins Ausland. Die gleichen Sehnsüchte hegen auch die weniger gut ausgebildeten Ugander. Sie können ebenfalls keine Zukunft in ihrem Land erkennen. Über das Internet und aus anderen Quellen haben sie sich in etwa schlau gemacht, wie man beispielsweise in Europa lebt. Wenn es dann einer der ihren übers Mittelmeer geschafft hat, schickt er via Facebook ein Selfie aus einer der glitzernden Metropolen des Westens, was den Wunsch der Daheimgebliebenen erst recht nährt, ihm zu folgen.

Die ugandische Autorin Winnie Adukule macht in ihrem Buch „Flucht. Was Afrikaner außer Landes treibt“, deutlich, wie die junge ugandische Generation tickt. Die Älteren haben sich mit ihrem Schicksal abgefunden, die Jüngeren aber brechen aus. Sie wollen die Armut abschütteln und glauben, vom Reichtum des Kapitalismus im Westen profitieren zu können, wenn sie nur dorthin flüchten. Adukule lässt jene, die sich gerade auf den Weg machen, von ihren naiven Hoffnungen erzählen, die sich doch nur als Illusionen entpuppen. Sie wissen nicht, was ihnen bevorsteht, sind aber der festen Überzeugung, in der Fremde alle Herausforderungen bestehen zu können.

Die Autorin ließ auch Frauen und Männer zu Wort kommen, die ernüchtert, aber mit neuen Erkenntnissen nach Uganda zurückgekehrt sind. „Warum“, fragt etwa Julius Kazungu, „soll ich in Europa mit meiner Arbeit die Reichen noch reicher machen? Wir müssen hier in Uganda unser eigenes Leben gestalten.“

In Belgien begegnete er Afrikanern, welche entweder aus Geldmangel oder aus Scham nicht in ihre Heimat zurückgingen – obwohl sie nichts sehnlicher wünschen. Sie schämen sich, weil sie ihre Großfamilien damit enttäuschen würden. Diese hatten schließlich rund 15.000 Euro für die Flucht aufgetrieben und betrachten das erbrachte Opfer als Investition in das zukünftige Auskommen des eigenen Familienverbandes. Denn die Pioniere sollen aus dem fernen Paradies, wo Milch und Honig fließen, regelmäßige Geldtransfers tätigen. Stattdessen vegetieren sie jedoch chancenlos im kalten Europa dahin und werden als illegale Einwanderer betrachtet oder gar als Kriminelle von der Polizei verfolgt.




Quelle: „junge Welt“, www.jungewelt.de

Schlagwörter: Uganda, Flucht, Wirtschaftsflüchtlinge, Migration, Yoweri Museveni, Diktator, EU, Ausbildung, Arbeitsplätze, Arbeitsplatzmangel, Generation, Jugend, Vetternwirtschaft, Korruption, Armut, Luftverschmutzung, Opposition, Unterdrückung, Schikane, Europa, Afrika