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Haiti: Wenn Blauhelme plötzlich gegen Notleidende durchgreifen müssen

Meldung vom 24.10.2016

Eigentlich sind Blauhelm-Soldaten dazu da, Notleidenden Schutz und Hilfe zu gewähren. Doch auf Haiti verkehrte sich plötzlich die Situation. Die Blauhelme wollten dort Nahrung, Medikamente und Trinkwasser zu den Überlebenden des Hurrikans „Matthew“ bringen, doch zunächst einmal feuerten sie Tränengas ab.

Bedrückende Situationen sind dabei entstanden: Helfer mussten plötzlich gegen Hilfsbedürftige vorgehen, UN-Blauhelmsoldaten gegen aufgebrachte Haitianer, die seit 14 Tagen auf Hilfsgüter harrten. In der Stadt Les Cayes haben Notleidende Straßen durch Blockaden versperrt, um Hilfskonvois abzufangen, deren Ziel umliegende Dörfer waren. Es ging um ein paar Lastwagen mit Notpaketen, deren Ladung lange nicht den Gesamtbedarf der Region deckte.

„Man muss die Leute verstehen, sie sind absolut verzweifelt“, berichtet Jürgen Schübelin, der Referatsleiter der Kindernothilfe für Lateinamerika und die Karibik. An der Südküste Haitis haben die Menschen nach seiner Darstellung auf der gesamten Strecke von Les Cayes nach Port-à-Piment keinerlei Lebensmittel mehr. 60 Kilometer Hunger, Krankheit, Verzweiflung und Tod. Und das ist nur ein kleiner Ausschnitt aus dem Bild der Verwüstung, die der Hurrikan „Matthew“ in der Nacht auf den 4. Oktober anrichtete.

Dort, wo punktuell Unterstützung eintrifft, setzt sich das Recht des Stärkeren durch. „Soldaten und Polizisten gucken zu, wie sich die Menschen um etwas Essbares prügeln“, erklärt der Augenzeuge Schübelin. Er ist in seinem Leben schon mit vielen Katastrophen konfrontiert worden. Keine war aus seiner Sicht vergleichbar mit der, die aktuell im Süden Haitis geschieht. Nicht einmal das große Erdbeben, das Haiti vor sechs Jahren erschütterte, als 300.000 Menschen ums Leben kamen und mehr als 1,5 Millionen ihr Heim verloren. „Die Zerstörung ist diesmal viel großflächiger“, schildert Schübelin, „die Not unermesslich.“

Diesmal wurden vor allem die Randgebiete zerstört und nicht, wie damals, die Hauptstadt Port-au-Prince. Fernab von der Weltöffentlichkeit spielt sich diese Tragödie ab. Vielleicht ist das ein Grund, weshalb Haitis akute Notlage kaum Resonanz findet. Laut der Weltgesundheitsorganisation WHO haben mehr als 2,1 Millionen Haitianer aufgrund des Wirbelsturms ihr Hab und Gut verloren. 750.000 sind dringend auf humanitäre Hilfe angewiesen. Die trifft allerdings nur sporadisch ein. Diesen Tatbestand kritisierte auch UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon nach einem Besuch. Die Vereinten Nationen hatten die internationale Gemeinschaft gebeten, 120 Millionen Dollar für Haiti aufzubringen. Bisher sind nur zwölf Prozent der Summe zusammengekommen.

Das hat sicher auch etwas mit Haitis Übergangsregierung mit Präsident Jocelerme Privert an der Spitze zu tun: Niemand ist wirklich der Auffassung, dass man den Bedürftigen hilft, wenn man dem Staatsapparat Gelder zufließen lässt. Haitis Regierung werden erhebliche Korruptionsvorwürfe gemacht. Dass Gelder versickern, wirkt sich auf Katastrophensituationen in dem Land fatal aus.

Auch zwei Wochen nach „Matthew“ gibt es keine eindeutigen Zahlen in Bezug auf die Todesopfer. Und eine Hoffnung auf Besserung der Gesamtsituation in Haiti ist nicht in Sicht. Die Übergangsregierung hatte sich zunächst bemüht, das ganze Ausmaß der Zerstörung durch „Matthew“ systematisch zu vertuschen. Von „vereinzelten lokalen Schäden“ hörte man in den Medien. Auch zwei Wochen danach gibt es nur Schätzungen über die Zahl der Opfer. Privert redet von 450 Toten, UN-Beobachter sind sich sicher, dass es mindestens doppelt so viele sind. Eine Gruppe von Journalisten, die alle Bürgermeister Haitis telefonisch befragten, hat mehr als tausend Tote zusammengerechnet. Noch kann aber niemand eindeutig sagen, wie nahe das der Realität kommt. Viele entlegene Orte im Süden und Westen des Landes sind bisher weiterhin unerreichbar.

Zu allem Unglück brachen nun auch noch mehr als 100 Häftlinge aus einer Haftanstalt in der Küstenstadt Arcahaie aus. Sie ermordeten einen Wärter und verletzten mehrere. Bei der Meuterei hätten die Häftlinge zudem mehrere Waffen erbeutet, teilte der Justizminister mit. Einige hatten sich Schießereien mit der Polizei geliefert. Gefängnisse in Haiti gelten als stark überbelegt, viele Insassen müssen jahrelang in Untersuchungshaft ausharren. Einige der Entlaufenen wurden bereits wieder festgenommen, aber allen wird man wohl kaum mehr auf die Spur kommen.

Außerdem wütet derzeit die Cholera auf der Insel. Nahezu nirgends auf der Welt ist die Verbreitung der Krankheit so leicht wie hier, wo die Hälfte der Bevölkerung kein sauberes Trinkwasser hat und mehr als zwei Drittel keine anständige Toilette aufsuchen können. Die WHO hat eine Million Dosen Cholera-Impfstoff nach Haiti geschickt, aber Ärzte befürchten ein Wettrennen gegen die Zeit. Wenn demnächst die Regenzeit anfängt, laufen weitere Latrinen über, und dieser Prozess spielt sich schneller ab, als geimpft werden kann.




Quelle: Gebende Hände-Redaktion; nach einer Information von: „Süddeutsche Zeitung“, sueddeutsche.de

Schlagwörter: Haiti, Hurrikan, Matthew, Blauhelme, Plünderung, Verzweiflung, Tränengas, Hilfskonvois, Hunger, Cholera, Impfstoff, Gefängnisausbruch, Arcahaie, Korruption, Regierung, Jocelerme, Privert, Regenzeit, Hygiene, Trinkwasser, Latrinen, Hilfsgüter