Unser Service für Sie


 [ » Newsletter ]

[ » zum Kontakt-Formular ]

[ » Material bestellen ]

[ » Geschenke bestellen ]



Videos aus unseren Projekten finden Sie auf unserem Youtube-Kanal.
[ » Gebende Hände – Youtube-Kanal ]


Südsudan: Nur auf Nebenstraßen – Lebensmittelschmuggel in das Bürgerkriegsland

Meldung vom 03.05.2017

Der Südsudan ringt mit einer gewaltigen Hungersnot. Weil der reguläre Warenverkehr eingestellt wurde, hängen die Notleidenden von Schmugglern ab.

Sadik Mohammed verschwindet in der Fahrerkabine seines Lastwagens, die ein wenig aussieht wie ein Nachtclub: Rote und gelbe Quasten schaukeln im Fahrtwind, die Windschutzscheibe ist mit herabhängenden Teppichen verziert. Über dem Fahrersitz wurde ein Ventilator angebracht, er verschafft die nötige Abkühlung auf den langen Fahrten. Das ist der Tatort eines sudanesischen Schmugglers. Was er vor acht Jahren als anerkanntes legales Handelsgeschäft in Angriff genommen hatte, ist inzwischen zu einer verbotenen und damit riskanten Aktion geworden. Mohammed transportiert Lebensmittel aus seinem Heimatland Sudan ins Nachbarland Südsudan. Als der Südsudan 2011 die Unabhängigkeit ausrief, wurde die Grenze dicht gemacht. LKW-Fahrer wie Mohammed wurden vor die Wahl gestellt: Entweder sie begeben sich auf Jobsuche oder sie arbeiten fortan illegal.

„Ich habe keine Wahl, ich muss schmuggeln“, bekennt der 38-Jährige, nachdem er seine Ladung im südsudanesischen Grenzort Wanjuk gelöscht hat. Drei Tage hat die Fahrt in Anspruch genommen, nun will er sich erst mal ausruhen.

Mohammed zieht wie Tausende andere Schmuggler vom Bürgerkrieg seinen Nutzen, die Hungersnot im Südsudan treibt die Preise für Lebensmittel hoch. „Ich habe jetzt mehr zu tun als früher“, gibt der zweifache Vater zu. Seit Ende 2013 wütet der Bürgerkrieg im Südsudan. Mehr als die Hälfte der Bevölkerung kann ohne humanitäre Hilfe nicht mehr überleben, unzählige Menschen hungern. Die Schmuggler aus dem nördlichen Nachbarland fahren dringend benötigte Nahrungsmittel herbei.

„Uns fehlen etwa 200.000 Tonnen Lebensmittel“, erklärt der zuständige Behördenvertreter James Maywien Aror, der unter anderem die Nothilfe in Wanjuk und Umgebung koordiniert. „Wir sind froh, wenn es die Schmuggler in den Südsudan schaffen.“ Hier sind sie sehr willkommen und müssen nichts befürchten.

Die Gefahren für die Schmuggler gehen eher von der anderen Seite der Grenze aus. „Ich nehme nur Nebenstraßen“, betont Mohammed. Um nicht in die Hände der sudanesischen Soldaten zu geraten, fährt er meist nachts, lotst seinen LKW durch dichten Wald und hofft darauf, dass Dorfbewohner ihm weiterhelfen, wenn er die Orientierung verloren hat. Falls er erwischt wird, muss er mit einer Strafe von 15.000 sudanesischen Pfund (rund 2.000 Euro) rechnen oder die Beschlagnahme seiner Fracht hinnehmen.

Doch die Sache rentiere sich trotz Risiko, meint Mohammed. Kommt er mit seinen Waren unbehelligt über die Grenze, macht er ein Geschäft von etwa 7.000 Pfund (rund 920 Euro) – das Neunfache eines durchschnittlichen Monatsgehalts. Seit Januar hat er fünf Touren hinter sich gebracht. Und die nächste steht schon fest.

Einer von Mohammeds Abnehmern im Südsudan ist der Händler Deng Makol. „Ungefähr 85 Prozent meiner Lebensmittel kommen aus dem Sudan“, sagt er. In seinem kleinen Laden in Wanjuk türmen sich Säcke mit Hirse und Mais bis unter die Decke. Die Ware werde er im Handumdrehen an den Mann bringen, meint Makol. „Die Menschen sind hungriger als je zuvor.“

Ein gravierendes Problem sind die explodierenden Preise, Konsequenz einer schwindelerregenden Inflation. Ein Bericht des Welternährungsprogramms, der im März 2017 herausgegeben wurde, dokumentierte, dass die Teuerungsrate auf bis zu 372 Prozent hochgeschnellt ist. Selbst Grundnahrungsmittel sind für viele Menschen nicht mehr erschwinglich.

„Früher habe ich meinen Kindern jeden Morgen Haferbrei und Tee gemacht“, berichtet Nianut Pantheer, die einen Teeausschank betreibt. „Heute sind wir froh, wenn ich ihnen ein Brot kaufen kann, aber meistens gehen sie morgens hungrig aus dem Haus.“ Die 33-Jährige rechnet mit dem Schlimmsten, da sich die Situation mit Beginn der Regenzeit meistens noch verschlechtert. Der Händler Makol schätzt die Lage ähnlich ein: „Wenn es regnet, steigt die Nachfrage, und das Angebot geht zurück“, erläutert er. „Für die Schmuggler wird es schwieriger, Lebensmittel hierherzubringen.“

Erst kürzlich hat der Sudan die Erlaubnis erteilt, einen zweiten Korridor für humanitäre Hilfe einzurichten. Doch die Menschen in Wanjuk und Umgebung profitieren davon nicht. Sie kommen weiterhin nicht ohne Schmuggler wie Mohammed aus. Und obwohl dieser sich seinen Dienst gut bezahlen lässt, wäre ihm ein regulärer Warenverkehr über die Grenze lieber. „Von einem Handelsabkommen würden beide Seiten profitieren“, meint Mohammed, ergänzt aber, dass ein solches Abkommen im Moment nicht in greifbarer Nähe ist. So wird er seine kostbare Fracht auf unbestimmte Zeit weiter auf Nebenstraßen durch die Nacht manövrieren müssen.




Quelle: „20 Minuten Online“, http://www.20min.ch

Schlagwörter: Südsudan, Hunger, Hungernot, Bürgerkrieg, Sudan, Schmuggler, Lebensmittel, Ware, LKW-Fahrer, Grenze, Inflation, Wirtschaft, Handel, Grenzverkehr, Regenzeit, Angebot, Nachfrage, Lebensmittelpreise, Wanjuk