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Honduras: Wie ein schlechter Wirtschaftskrimi – Der Mord an der Umweltschützerin Berta Cáceres

 
Meldung vom 09.06.2017

Die Aktivistin Berta Cáceres war Anführerin einer Bewegung, die gegen ein umstrittenes Wasserkraftwerk in Honduras anging. Vor mehr als einem Jahr wurde die Frau kaltblütig ermordet. Die dunklen Machenschaften reichen bis in die obersten Etagen von Politik und Wirtschaft. Selbst eine deutsche Firma ist in den Fall verwickelt, denn sie wollte trotz des Verdachts auf Menschenrechtsverbrechen Turbinen zuliefern.

Wäre Gustavo Castro nicht bei Berta Cáceres gewesen, als ihre Mörder in das Haus eindrangen, das Verbrechen wäre wohl längst zu den Akten gelegt worden. Der Aktivistin wäre noch kurz gedacht worden als ein weiteres Gewaltopfer in ihrem Heimatland Honduras: noch eine Zahl in einer Statistik, noch ein unaufgeklärter Fall, noch ein Verbrechen ohne juristische Konsequenzen.

„Sie planten einen sauberen Mord“, berichtet Gustavo Castro, „die Hintermänner hätten sich alles Mögliche ausdenken können.“ Bertas Tod hätte man zum Beispiel leicht als tragische Folge eines Raubüberfalls inszenieren können, niemand hätte das widerlegen können.

Doch Gustavo war anwesend. Er sah einen der Mörder und verfolgte mit, wie die Polizei danach alles daran setzte, die Tat einem anderen anzulasten. Der Mann, den er sah, gab auch einen Schuss auf ihn ab, Gustavo Castro hatte aber das Glück, dass die Kugel nur seine Hand und sein linkes Ohr streifte. Dann hörte er die Schreie von Berta Cáceres im Nebenzimmer. Sie starb in seinen Armen.

In der Nacht vom 2. auf den 3. März 2016 wurde Berta Cáceres in ihrem Haus in der honduranischen Stadt La Esperanza durch Kugeln niedergestreckt. Am 4. März wäre sie 45 Jahre alt geworden. Die Täter rückten kurz vor Mitternacht an, sie kletterten über den hohen Maschendrahtzaun, der seither niedergedrückt ist, brachen die Hintertür auf und gelangten zu der Aktivistin in ihrem Schlafzimmer.

Kaum einer zweifelt daran, dass Berta Cáceres starb, weil sie mächtigen Leuten in Honduras in die Quere kam. Ihr Tod hat mit ihrem Widerstand zu tun. Sie setzte sich gegen den Bau eines Wasserkraftwerks ein, das an dem Fluss Gualcarque entstehen sollte. Bei den Protesten der indigenen einheimischen Bevölkerung gegen das Kraftwerk wurden mehrere Menschen getötet. Hinter all dem steht eine einflussreiche honduranische Familie, die das Kraftwerksvorhaben vorantreiben wollte. Voith Hydro, ein deutsches Unternehmen, das Turbinen für das Kraftwerk liefern sollte und dem jetzt seine Beteiligung an dem Geschäft vorgeworfen wird, sieht sich ebenfalls in den Fall verwickelt. Es geht um Armut und rücksichtslosen Profit.

Berta Cáceres war immer eine Rebellin, meinen die, die ihre Freunde waren. Schon als junge Frau entpuppte sie sich als Anführerin, aber eine, die sich nie über ihre Gefährten erhob. „Sie war wie wir“, meinte eine Freundin. Sie ermutigte die anderen, selbstständig zu werden und sich schlau zu machen, denn sie selbst würde eines Tages nicht mehr die Rolle der Anführerin spielen können. Berta erhielt Todesdrohungen. Wo sie lebte, fuhren Fahrzeuge mit verdunkelten Scheiben und ohne Nummernschild vor. Sie war sich der Gefahr bewusst. Ihre positive Wesensart verlor sie aber nie, versichern die Hinterbliebenen, und auch ihren Willen zum Widerstand nicht.

Als sie jung war, leistete Berta mit ihrem damaligen Mann im Nachbarland El Salvador Widerstand gegen die Militärdiktatur. Dann kamen die beiden aus dem Bürgerkrieg nach Honduras zurück und riefen die Organisation Copinh ins Leben, die sich für die Indigenen in Honduras stark macht, vor allem für die Rechte der Lenca. Berta Cáceres, Mutter vierer Kinder, war selbst Lenca. Die Yankees und der Kapitalismus, das waren ihre großen Feindbilder. Die Honduraner sollten eigenmächtig ihr Land verwalten und ihre eigene Natur schützen. Für ihre Arbeit wurden ihr Preise in Deutschland und den USA verliehen.

Viele Monate ist es her, dass sie ermordet wurde, aber im Haus von Copinh in La Esperanza ist ihr Engagement immer noch gegenwärtig. Die Wände der Büros sind mit Bildern und Zitaten behängt, die an sie erinnern. An einem Deckenbalken prangen entsprechende Aufkleber: „Raus mit den Yankee-Militärbasen! Für eine wirkliche Unabhängigkeit!“

Das geplante Kraftwerk Agua Zarca lehnen die Lenca strikt ab. Cáceres hatte den Protest dagegen organisiert. Im September 2010 war es mit etwa 40 weiteren Wasserkraftwerken per Dekret genehmigt worden. Rechtswidrig, befanden die Copinh-Aktivisten. Rechtswidrig, sind sich manche Anwohner am Fluss einig, und auch die Sonderberichterstatterin der Vereinten Nationen für die Rechte der indigenen Völker, Victoria Tauli-Corpuz, verweist auf juristische Fehler.

Im Dorf werden die Folgen der Bauarbeiten schnell deutlich: Der Zugang zum Fluss wird blockiert, die Maschinen zerstören die Bohnenfelder der Anwohner. Niemand habe die Menschen in die Planung von Agua Zarca mit einbezogen. Wochenlang bildeten die Menschen eine Protestblockade auf der Baustelle von Agua Zarca – bis die Baumaschinen und Arbeiter schließlich aufgaben. Vorher hatte der Staat Soldaten entsandt, um die Proteste zu unterbinden und die Baustelle zu bewachen. Doch die Gegner des Wasserkraftwerks ließen sich nicht unterkriegen. Die Auseinandersetzung endete blutig. Menschen starben. Derzeit sind die Arbeiten auf Eis gelegt. 28 Millionen Dollar hat die Firma Desa in Agua Zarca bisher investiert.

Generell gibt es in Honduras Spannungen. Die Indigenen würden in Honduras von der Politik unterdrückt, kritisiert Pedro Morazán. „Kein Wunder, dass sie dann gegen Infrastrukturprojekte, die von außen kommen, erst einmal protestieren. Das ist eine ganz normale Schutzreaktion.“

Honduras ist arm. Zwei Drittel der Bevölkerung fristen ein Dasein unter der Armutsgrenze, die meisten auf dem Land. Nirgendwo in Lateinamerika ist die Ungleichheit so eklatant, wie die Weltbank feststellt. Wenige wohlhabende Familien regieren das Land. Sie besetzen alle wichtigen Stellen in Politik und Wirtschaft mit ihren Leuten. Pedro Morazán nennt die Polit-Elite eine „kaltblütige Oligarchie“, die ihre Interessen rücksichtslos durchsetze. Die Regierung unter Präsident Juan Orlando Hernández will das Land durch Privatisierungen vorwärts bringen – das begünstigt die Geschäfte der Oligarchen und macht sie noch reicher.

Der Zeuge Gustavo musste derweil aus Sicherheitsgründen ins Ausland emigrieren. Bis heute hätten die Behörden ihn nicht offiziell zu einer Aussage gebeten, um den Mann zu identifizieren, der auf ihn schoss, sagt er.

Doch da der Fall international für Aufsehen gesorgt hat, gibt es inzwischen sechs Festgenommene: Sergio Rodríguez, ehemals Geschäftsführer für Soziales bei Agua Zarca. Douglas Bustillo, Ex-Soldat und Ex-Desa-Sicherheitschef, der Berta schon Jahre vor ihrem Tod bedroht haben soll. Mariano Díaz Chávez, ein Major des honduranischen Militärs und Ausbilder der Militärpolizei, und drei weitere Männer, die am Tatort gewesen sein sollen. Unter den Tätern befindet sich ebenfalls ein ehemaliger Soldat; er habe bereits gestanden.

Das Militär sei wohl in den Auftragsmord verwickelt, berichtete die britische Zeitung Guardian im Frühjahr. Der Präsident von Desa, Roberto David Castillo Mejía, hat die Elite-Militärakademie von West Point in den USA durchlaufen und ist ehemaliger Geheimdienstmann. Drei der Tatverdächtigen sind Soldaten oder ehemalige Soldaten.

Eines ist klar: Durch ihren Protest gegen Agua Zarca hat sich die Umweltaktivistin Berta Cáceres mächtige Feinde gemacht. Denn die Firma Desa ist in der Hand der Familie Atala, eine der politisch und wirtschaftlich einflussreichsten Familien des Landes.

Währenddessen werden die Ermittlungen in dem Mordfall weitergeführt. Familie und Freunde von Berta Cáceres haben wenig Vertrauen in die honduranischen Behörden. Die Drahtzieher des Mordes sind wahrscheinlich noch frei, vermuten die Angehörigen – und ihre Spur führt nach ganz oben in die Gesellschaft. „Wir wollen Gerechtigkeit für Berta“, fordert eine Freundin, und die vollständige Aufklärung des Mordes. „Sonst sind wir als Nächste dran.“






Quelle: Gebende Hände-Redaktion; nach einer Information von: „Die Zeit Online“, zeit.de

Schlagwörter: Honduras, Berta Cáceres, Umweltschützerin, Mord, Auftragsmord, Wasserkraftwerk, Agua Zarca, Militär, Zeuge, Oligarchie, Indigene, Demonstrationen, Widerstand, Rebellion, Proteste, Tote, Verfahren, Tatverdächtige, Desa, Copinh, Menschenrechte