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Indien: EU-Indien-Gipfel – Bei Wirtschaftsinteressen wird weggeschaut

 
Meldung vom 10.10.2017

In Indien sind religiöse Minderheiten stark unter Druck geraten, seitdem Narendra Modi an der Macht ist. Doch die EU, die sonst immer als Moralapostel auftritt, scheint bei wirtschaftlichen Verhandlungen Menschenrechtsfragen auszublenden.

Mit großem Interesse verfolgten Wirtschaftstreibende das Treffen der Präsidenten der EU-Kommission und des Europäischen Rates mit dem indischen Premierminister Narendra Modi am 06.10.2017. Jean-Claude Juncker und Donald Tusk waren nach Neu Delhi geflogen, um am jährlich stattfindenden EU-Indien-Gipfel über bestehende und künftige Handelsabkommen zu reden. Dieses Treffen fand zum 14. Mal statt. Auf mehr als 77 Milliarden Euro wurde das Handelsvolumen zwischen EU und Indien im Jahr 2015 beziffert. Tendenz steigend.

Aber nicht nur die Wirtschaft beobachtete die Verhandlungen mit großem Interesse. Bereits im vergangenen Jahr hatten Menschenrechtsorganisationen und Abgeordnete zum Europäischen Parlament gefordert, neben Freihandel, Besteuerungen und Förderungen auch die Menschenrechte am Verhandlungstisch zu thematisieren. Besonders auf dem Gebiet der Religionsfreiheit in Indien herrscht großer Gesprächsbedarf, äußerten Politiker und NGOs alarmiert. Zu Recht.

Seit dem Amtsantritt Narendra Modis hat sich die Situation religiöser Minderheiten in Indien drastisch zugespitzt. Dabei ist die führende Person der Bharatiya Janata Partei (BJP) mit dem Versprechen angetreten, einen Weg der Öffnung und Modernisierung für den asiatischen Subkontinent einzuschlagen. Tatsächlich aber vermehrten sich bereits im ersten Jahr seiner Amtsführung die gewaltsamen Übergriffe auf Mitglieder religiöser Minderheiten drastisch. Die indische Menschenrechtsorganisation ANHAD aus Neu Delhi meldete 43 Tote in mehr als 600 Fällen, die sich in den ersten zwölf Monaten seit Modis Wahl zum Premierminister im Sommer 2014 abspielten. Bei 194 davon kamen Christen zu Schaden, die anderen Fälle betrafen Muslime.

Von einem Zufall kann man da nicht ausgehen, denn Modis Partei gilt als politischer Arm der so genannten Hindutva Bewegung. Diese kämpft für ein rein hinduistisches Indien und möchte das Land von allen Andersdenkenden „säubern“. Insbesondere Christen und Muslime sind im Visier der Anhänger der nationalistischen Ideologie. Das Christentum ist vor allem für die so genannten Dalits, die „Unberührbaren“, eine anziehende Religion. Sie stehen auf der untersten Ebene des hinduistischen Kastensystems und werden in vielen Regionen noch immer wie Dreck behandelt. Die Botschaft des Christentums durchkreuzt dieses starre, soziale Gesellschaftsmodell. Dass Gott alle Menschen gleichermaßen liebt und zur Erlösung aller gestorben und auferstanden sein soll, ist in Indien eine Botschaft mit Sprengkraft.

Allerdings ist es riskant, sich öffentlich zum christlichen Glauben zu bekennen. In sieben von 29 indischen Bundesstaaten wurden „Anti-Konversionsgesetze“ erlassen, die den Übertritt vom Hinduismus zu einer anderen oder keiner Religion unter hohen Strafen verbieten. Die BJP deckt und fördert diese Religionsgesetze ohne daraus ein Geheimnis zu machen. Die Bevölkerung wird gegen Andersgläubige zunehmend aufgewiegelt. Der aktuelle Bericht des US-Außenministeriums zur Religionsfreiheit in Indien erfasste bereits 300 Fälle von Christenverfolgung im Jahr 2016, fast eine Verdopplung zum Jahr zuvor. Die Dunkelziffer liegt natürlich weitaus höher. Viele scheuen sich davor, Übergriffe anzuzeigen, aus Furcht vor Rache. Oft haben sie in den Polizisten keine Hilfe, denn Polizei und Justiz sind auf der Seite der Täter.

Verbündete Anwälte von ADF International, einer christlichen Menschenrechtsorganisation, die sich weltweit für freie Glaubensausübung engagiert, kümmern sich oft um jene Fälle, die doch vor ein Gericht getragen werden. So wurden etwa im Mai 2017 sieben Pastoren im Bahnhof von Ratlam in Madhya Pradesh festgenommen. Sie wollten gemeinsam mit 60 Kindern einen Ausflug zu einem christlichen Sommercamp machen. Drei Tage lang mussten die Minderjährigen im Gefängnis ausharren. Die Eltern der Kinder hatten sofort nach der Verhaftung schriftlich bestätigt, dass sie ihre Einwilligung zur Teilnahme am Camp erteilt hatten.

Dennoch mussten sich die Pastoren vor Gericht wegen Kindesentführung verantworten, zudem wurde ihnen Gewalt gegen Minderjährige und Missionierung vorgeworfen. Drei Monate lang wurden sie in Haft gehalten, bis man sie endlich gegen Kaution freiließ. Auch das konnte nur aufgrund des Einschreitens des indischen Obersten Gerichts erreicht werden. Die Pastoren bereiten sich nun auf ihre Verhandlung vor. Es drohen ihnen bis zu sieben Jahre Haft.

Aufgrund solcher Vorfälle richteten mehrere EU-Abgeordnete einen offenen Brief an die Präsidenten Juncker und Tusk, sowie an die EU-Außenministerin Frederica Mogherini, die ebenfalls beim Gipfel in Neu-Delhi zugegen war. In dem Brief, der der Redaktion vorliegt, wenden sich die Unterzeichner an die EU-Repräsentanten mit der Bitte, die Anti-Konversionsgesetze ebenso wie die wachsende Verfolgung offen anzusprechen. Die Abgeordneten führen konkrete Fälle an, wie etwa kürzlich der Mord an der kritischen Journalistin Gauri Lankesh. Sie prangern offen die Hetze der BJP gegen religiöse Minderheiten an.

Deshalb könne die EU das nicht einfach ignorieren, wenn sie sich nicht der Komplizenschaft schuldig machen wolle. Es wäre die „Pflicht der EU-Rats- und Kommissionspräsidenten“, diese Tatsachen auf den Tisch zu bringen und den Premierminister dazu anzuhalten, Maßnahmen für eine Verbesserung der Situation zu ergreifen. Konkret verlangen sie eine Garantie für die Sicherheit religiöser Minderheiten, die Annullierung diskriminierender Gesetze, Sensibilisierung von Polizisten und Juristen für Rechte religiöser Minderheiten und öffentliche Kampagnen, die über die wichtigen gesellschaftlichen Beiträge von Christen, Muslimen und anderer Religionen aufklären.

Der Schutz der Rechte religiöser Minderheiten ist bis zum jetzigen Zeitpunkt keine Vorbedingung seitens der EU für den Abschluss eines Freihandelsabkommens mit Indien. Lars Adaktusson kritisiert das in seinem Kommentar für die Brüsseler Online-Publikation Euractiv. Der schwedische Abgeordnete macht darauf aufmerksam, dass es zunehmend unglaubwürdig werde, zwar ständig Menschenrechte auf die eigene Fahne zu schreiben, die Einhaltung derselben aber nicht gegenüber Dritten einzufordern, sobald wirtschaftliche Interessen vorlägen. Die EU dürfe sich nicht nur für freien Handel und Marktwirtschaft stark machen, sondern müsse auch weltweit auf die Einhaltung der Menschenrechte achten.

Das Recht auf freie Religionsausübung gehört zu den Menschenrechten, zu denen sich Indien offiziell bekennt und die in seiner Verfassung verankert sind. Die aktuelle Regierung scheint davon nichts mehr wissen zu wollen. Umso notwendiger wäre ein klares Bekenntnis der EU. Als einer der wichtigsten Wirtschaftspartner des Subkontinents verfüge die Staatengemeinschaft über genügend Druckmittel, um effektiv für verfolgte religiöse Minderheiten einzutreten. Doch Juncker, Tusk und Mogherini scheinen diesen politischen Willen nicht aufzubringen.






Quelle: „Die Tagespost“, www.die-tagespost.de

Schlagwörter: Indien, EU, EU-Indien-Gipfel, Gipfel, Neu Delhi, Wirtschaft, Freihandelsabkommen, Jean-Claude Juncker, Donald Tusk, Menschenrechte, Religionsfreiheit, Verfolgung, Christen, Narendra Modi, Hindunationalisten, Andersgläubige, Glauben, Religion, Frederica Mogherini