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Haiti: UN-Blauhelme verabschieden sich |
Meldung vom 13.10.2017
Die Blauhelm-Truppe verlässt die Karibikinsel Haiti nun endgültig. Die Bilanz dieses Aufenthaltes fällt gemischt aus. Viele Ziele wurden in dem von Katastrophen zerrütteten Land verfehlt. Die Mission verschlang 7,3 Milliarden Dollar, doch was bleibt davon?
Nach 13 Jahren auf Haiti hat die UN am Wochenende ihre Flagge vom Mast eingeholt. Von den 18 Ländern, die sich ursprünglich an der MINUSTAH-Truppe (Mission des Nations Unies pour la stabilisation en Haïti) beteiligten, sind zuletzt nur noch wenige mit einer Handvoll Soldaten vor Ort geblieben.
Jetzt wird es still in der internationalen Containerstadt, die nach dem schweren Beben im Jahr 2010 provisorisch direkt am Flughafen hochgezogen wurde. Bis zum kommenden Sonntag (15.10.2017) wird der letzte Blauhelm-Soldat Haiti verlassen haben; danach wird dann eine 1.200 Mann starke UN-Polizeitruppe die haitianischen Sicherheitskräfte unterstützen. 350 zivile Berater sollen in Sachen Justizreform und Menschenrechte zum Einsatz kommen.
Es ist das stille Ende einer Mission, die 2004 – unter den Augen von TV-Kamerateams aus aller Welt – ihren Anfang genommen hatte, um das politische Chaos einzudämmen, und den Umstürzen und Militärputschen in Haiti vorzubeugen. Wirbelstürme, Krisen, Erdbeben, eine Choleraepidemie und mehrere turbulente Wahlen hat die UN-Truppe MIINUSTAH in den 13 Jahren ihres Einsatzes auf der Karibikinsel über sich ergehen lassen müssen.
Die Ergebnisse dieses Einsatzes sind mager; der versprochene Quantensprung in eine bessere Zukunft kam nicht zustande. Haiti muss sich nun beweisen, denn ab sofort ist das Land auf sich gestellt. Brechen dadurch bessere Zeiten an? So jedenfalls behaupten es rechte Nationalisten und linke Populisten, die beiden politischen Lager, deren Konfrontation das Land seit der Demokratisierung Ende der 80er Jahre immer wieder in Krisen stürzt.
Vor einigen Wochen kündigte sich hoher Besuch aus New York an. UN-Delegierte, Vertreter der haitianischen Regierung und der Zivilgesellschaft wollten einen möglichst sanften Übergang planen. Doch dann geschah das Gleiche wie immer: Regierungsmitglieder spulten nette Reden ab.
Die UN verlangte, die Haitianer müssten selbst mehr Geld in die Bildung und die Gesundheit stecken, in eine unabhängige Justiz, ein glaubwürdiges Wahlsystem. Vertreter der Zivilgesellschaft in Haiti wiederum pochten auf Entschädigungen für die von UN-Soldaten eingeschleppte Cholera, von der bislang mehr als 9.000 Menschen hinweggerafft wurden und für die die UN erst voriges Jahr die Verantwortung übernahm. Außerdem wurde die Verstrickung von UN-Soldaten in Kinderprostitution im Schutze ihrer Immunität angeprangert.
„Wenn sie uns nur ein Pflästerchen bringen, können sie gleich wieder verschwinden“, sagte die frühere Premierministerin Michele Pierre-Louis wütend. Was für die Geldgeber undankbar klingen mag, ist nicht ganz aus der Luft gegriffen. Von der nach dem verheerenden Beben im Jahr 2010 zugesagten Hilfe in Höhe von 13 Milliarden Dollar wurden nur sechs Milliarden wirklich transferiert. Viele Aufträge landeten bei internationalen Bau- und Beratungskonzernen. Die haitianische Regierung wurden nur an zehn Prozent der Hilfe beteiligt.
Letztlich misslang selbst der Wohnungsbau für die 1,5 Millionen Erdbebenopfer wegen der in Haiti um sich greifenden Korruption. Die schadet auch der wirtschaftlichen Entwicklung des bitterarmen Landes. Haitis Einkommen beschränkt sich hauptsächlich auf Erträge aus der Textil- und Fertigungsindustrie. Ein wenig steuert auch der kaum entwickelte Tourismus bei. Ein Mammutanteil besteht aus Überweisungen ausgewanderter Landsleute an ihre Familien. Die Landwirtschaft kann sich gegen die billigen US-Importe nicht behaupten; daher kann die Insel die Ernährung ihrer Bewohner nicht mehr selbst gewährleisten. Mehr als 60 Prozent der Haitianer leben unter der Armutsgrenze. 86 Prozent der Menschen mit einem mittleren und höheren Bildungsabschluss wandern aus.
„Große Herausforderungen liegen vor uns, aber Haiti ist glücklicherweise in einer neuen Phase der Stabilität, was uns Chancen bietet“, meinte der bolivianische UN-Delegationsleiter Sacha Llorenty jüngst. Die blumigen Worte verhallen im Nichts. Zweifel daran bleiben. Zu der Misere beigetragen hat auch die Geopolitik der USA und Frankreichs, die sich bis heute als inoffizielle Schutzmächte des Landes verstehen und bei allen wichtigen Entscheidungen mitmischen. Ihr Hauptziel ist, die Migration und den Drogenhandel einzugrenzen und ihnen genehme Regierungen zu installieren.
Ein desaströser Akteur auf dem politischen Parkett ist vor allem Jean-Bertrand Aristide, der ehemalige, linkspopulistische Armenpriester und zweimal gestürzte Präsident, der noch immer über Strohmänner und -frauen Einfluss ausübt. Aber auch zahlreiche andere Politiker sind in Drogen- und Schmuggelgeschäfte verstrickt und handeln aus egoistischen Motiven.
Ein drittes Problem ist, dass die Kriterien der Weltgemeinschaft von Rechtsstaatlichkeit und Demokratie in dem von Clan-Denken bestimmten Land einfach nicht greifen können. Millionen investierten vor allem die USA, Europa und Kanada nach der Rückkehr zur Demokratie in den 90er Jahren in den Aufbau einer professionellen Polizei – nur um beobachten zu müssen, wie sie sich unter Aristide politisierte und zerrieb. Machtkämpfe lassen das Land immer wieder taumeln. Auch als nach den jüngsten Wahlen der politisch unbeleckte Bananenkönig Jovenel Moise als Präsident vereidigt wurde, eröffnete die Staatsanwaltschaft gleich Ermittlungen wegen Geldwäsche.
Nun kann man der MINUSTAH nicht nur Negatives nachsagen. Besonders in Sachen Sicherheit erzielte sie Fortschritte in Haiti. Sie verhinderte, dass politische Konflikte aus dem Ruder gerieten und sorgte immer wieder schnell für Ruhe. Nach erstem Zögern ging sie erfolgreich gegen kriminelle Gangs vor. Entführungen und Überfälle wurden weniger. Mit zehn Morden auf 100.000 Einwohner zählt Haiti heute zu den sichereren Ländern Lateinamerikas.
Quelle: Gebende Hände-Redaktion; nach einer Information von: „Badische Zeitung“, badische-zeitung.de
Schlagwörter: Haiti, Blauhelme, UN, Mission, MINUSTAH, Ende, Abschied, Korruption, Immunität, Kinderprostitution, Cholera, Entschädigung, Erdbeben, Wirtschaft, Auslandsüberweisungen, Drogenhandel, Auswanderung
Nach 13 Jahren auf Haiti hat die UN am Wochenende ihre Flagge vom Mast eingeholt. Von den 18 Ländern, die sich ursprünglich an der MINUSTAH-Truppe (Mission des Nations Unies pour la stabilisation en Haïti) beteiligten, sind zuletzt nur noch wenige mit einer Handvoll Soldaten vor Ort geblieben.
Jetzt wird es still in der internationalen Containerstadt, die nach dem schweren Beben im Jahr 2010 provisorisch direkt am Flughafen hochgezogen wurde. Bis zum kommenden Sonntag (15.10.2017) wird der letzte Blauhelm-Soldat Haiti verlassen haben; danach wird dann eine 1.200 Mann starke UN-Polizeitruppe die haitianischen Sicherheitskräfte unterstützen. 350 zivile Berater sollen in Sachen Justizreform und Menschenrechte zum Einsatz kommen.
Es ist das stille Ende einer Mission, die 2004 – unter den Augen von TV-Kamerateams aus aller Welt – ihren Anfang genommen hatte, um das politische Chaos einzudämmen, und den Umstürzen und Militärputschen in Haiti vorzubeugen. Wirbelstürme, Krisen, Erdbeben, eine Choleraepidemie und mehrere turbulente Wahlen hat die UN-Truppe MIINUSTAH in den 13 Jahren ihres Einsatzes auf der Karibikinsel über sich ergehen lassen müssen.
Die Ergebnisse dieses Einsatzes sind mager; der versprochene Quantensprung in eine bessere Zukunft kam nicht zustande. Haiti muss sich nun beweisen, denn ab sofort ist das Land auf sich gestellt. Brechen dadurch bessere Zeiten an? So jedenfalls behaupten es rechte Nationalisten und linke Populisten, die beiden politischen Lager, deren Konfrontation das Land seit der Demokratisierung Ende der 80er Jahre immer wieder in Krisen stürzt.
Vor einigen Wochen kündigte sich hoher Besuch aus New York an. UN-Delegierte, Vertreter der haitianischen Regierung und der Zivilgesellschaft wollten einen möglichst sanften Übergang planen. Doch dann geschah das Gleiche wie immer: Regierungsmitglieder spulten nette Reden ab.
Die UN verlangte, die Haitianer müssten selbst mehr Geld in die Bildung und die Gesundheit stecken, in eine unabhängige Justiz, ein glaubwürdiges Wahlsystem. Vertreter der Zivilgesellschaft in Haiti wiederum pochten auf Entschädigungen für die von UN-Soldaten eingeschleppte Cholera, von der bislang mehr als 9.000 Menschen hinweggerafft wurden und für die die UN erst voriges Jahr die Verantwortung übernahm. Außerdem wurde die Verstrickung von UN-Soldaten in Kinderprostitution im Schutze ihrer Immunität angeprangert.
„Wenn sie uns nur ein Pflästerchen bringen, können sie gleich wieder verschwinden“, sagte die frühere Premierministerin Michele Pierre-Louis wütend. Was für die Geldgeber undankbar klingen mag, ist nicht ganz aus der Luft gegriffen. Von der nach dem verheerenden Beben im Jahr 2010 zugesagten Hilfe in Höhe von 13 Milliarden Dollar wurden nur sechs Milliarden wirklich transferiert. Viele Aufträge landeten bei internationalen Bau- und Beratungskonzernen. Die haitianische Regierung wurden nur an zehn Prozent der Hilfe beteiligt.
Letztlich misslang selbst der Wohnungsbau für die 1,5 Millionen Erdbebenopfer wegen der in Haiti um sich greifenden Korruption. Die schadet auch der wirtschaftlichen Entwicklung des bitterarmen Landes. Haitis Einkommen beschränkt sich hauptsächlich auf Erträge aus der Textil- und Fertigungsindustrie. Ein wenig steuert auch der kaum entwickelte Tourismus bei. Ein Mammutanteil besteht aus Überweisungen ausgewanderter Landsleute an ihre Familien. Die Landwirtschaft kann sich gegen die billigen US-Importe nicht behaupten; daher kann die Insel die Ernährung ihrer Bewohner nicht mehr selbst gewährleisten. Mehr als 60 Prozent der Haitianer leben unter der Armutsgrenze. 86 Prozent der Menschen mit einem mittleren und höheren Bildungsabschluss wandern aus.
„Große Herausforderungen liegen vor uns, aber Haiti ist glücklicherweise in einer neuen Phase der Stabilität, was uns Chancen bietet“, meinte der bolivianische UN-Delegationsleiter Sacha Llorenty jüngst. Die blumigen Worte verhallen im Nichts. Zweifel daran bleiben. Zu der Misere beigetragen hat auch die Geopolitik der USA und Frankreichs, die sich bis heute als inoffizielle Schutzmächte des Landes verstehen und bei allen wichtigen Entscheidungen mitmischen. Ihr Hauptziel ist, die Migration und den Drogenhandel einzugrenzen und ihnen genehme Regierungen zu installieren.
Ein desaströser Akteur auf dem politischen Parkett ist vor allem Jean-Bertrand Aristide, der ehemalige, linkspopulistische Armenpriester und zweimal gestürzte Präsident, der noch immer über Strohmänner und -frauen Einfluss ausübt. Aber auch zahlreiche andere Politiker sind in Drogen- und Schmuggelgeschäfte verstrickt und handeln aus egoistischen Motiven.
Ein drittes Problem ist, dass die Kriterien der Weltgemeinschaft von Rechtsstaatlichkeit und Demokratie in dem von Clan-Denken bestimmten Land einfach nicht greifen können. Millionen investierten vor allem die USA, Europa und Kanada nach der Rückkehr zur Demokratie in den 90er Jahren in den Aufbau einer professionellen Polizei – nur um beobachten zu müssen, wie sie sich unter Aristide politisierte und zerrieb. Machtkämpfe lassen das Land immer wieder taumeln. Auch als nach den jüngsten Wahlen der politisch unbeleckte Bananenkönig Jovenel Moise als Präsident vereidigt wurde, eröffnete die Staatsanwaltschaft gleich Ermittlungen wegen Geldwäsche.
Nun kann man der MINUSTAH nicht nur Negatives nachsagen. Besonders in Sachen Sicherheit erzielte sie Fortschritte in Haiti. Sie verhinderte, dass politische Konflikte aus dem Ruder gerieten und sorgte immer wieder schnell für Ruhe. Nach erstem Zögern ging sie erfolgreich gegen kriminelle Gangs vor. Entführungen und Überfälle wurden weniger. Mit zehn Morden auf 100.000 Einwohner zählt Haiti heute zu den sichereren Ländern Lateinamerikas.
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Quelle: Gebende Hände-Redaktion; nach einer Information von: „Badische Zeitung“, badische-zeitung.de
Schlagwörter: Haiti, Blauhelme, UN, Mission, MINUSTAH, Ende, Abschied, Korruption, Immunität, Kinderprostitution, Cholera, Entschädigung, Erdbeben, Wirtschaft, Auslandsüberweisungen, Drogenhandel, Auswanderung