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Somalia: Krankenhaus in Mogadischu – „Jede Nacht stirbt mindestens ein Kind“

Meldung vom 13.08.2018

Als Kinderärztin in der somalischen Hauptstadt Mogadischu hat man ein hartes Los. „Fast alle Tode meiner Patienten wären vermeidbar“, sagt Lul Mohamud Mohamed, die im Krankenhaus von Mogadischu arbeitet.

Lul Mohamud Mohamed war Medizinstudentin in Somalia, bevor dort der Bürgerkrieg und Hunger ein Studium unmöglich machten. In Berlin bekam sie eine Zusatzausbildung als Kinderärztin, arbeitete dann in London – und obwohl ihre Heimat ein einziger Scherbenhaufen war, kehrte sie dorthin zurück. Seitdem tut sie alles ihr Mögliche, um die hohe Kindersterblichkeit in Somalia einzudämmen.

Die Kinderärztin hat immer eine sanfte ruhige Stimme, wenn sie redet. Aber der Eindruck täuscht: Wie eine Löwin ringt Lul um das Leben der vier Monate alten Amina und ihrer 18-jährigen Mutter Sadia. Die beiden sind Ende Juli zu Lul gekommen, die die Kinderstation im Banadir-Krankenhaus in Mogadischu führt.

„Sadias Sohn ist vor ein paar Tagen gestorben, vielleicht wegen Cholera. Sie trauert sehr. Außerdem ist sie selbst krank geworden, sie hat Diarrhö. Genauso wie die kleine Amina. Beide haben wässrigen Durchfall. Der Junge ist auf dem Weg ins Krankenhaus gestorben. Die Leute kommen manchmal einfach zu spät.“

Unter dem Kleid der jungen Mutter sieht man, wie mager sie ist, sie wirkt völlig entkräftet und zerbrechlich. Sadia ist ein Flüchtling, wie fast die Hälfte von Luls Patienten. Sadia musste mit ihren Kindern vor neun Monaten ihr Heim verlassen, weil es sich in einem der vielen umkämpften Gebiete in Somalia befand. Seitdem versucht sie ohne jede Unterstützung in einem der improvisierten Flüchtlingslager in Mogadischu zu überleben.

Landesweit sind etwa 800.000 Menschen Binnenvertriebene, weil sie Hunger, Dürre, Überschwemmung und Krieg nicht mehr aushalten konnten. Zehntausende sind in der Hauptstadt gelandet und versuchen dort zu überleben, doch Lebensmittel gibt es nur wenige. Für viele Patienten, die zu Lul kommen, kommt jegliche Behandlung zu spät.

„Ja, jede Nacht stirbt mindestens ein Kind. Manchmal sogar drei oder vier. 80 Prozent der Patienten auf dieser Station sind schwer unterernährt, das gilt für die Kinder, die Mütter und die Neugeborenen“, berichtet die tapfere Ärztin.

Lul macht einen mütterlichen Eindruck, sie ist klein aber kompakt – und von einer Ausdauer, die man leicht unterschätzt. Seit Jahrzehnten bemüht sich die Ärztin, dem großen Sterben in Somalia Einhalt zu gebieten. Die 56-Jährige hat ihr Examen als Medizinerin absolviert, noch bevor der Bürgerkrieg 1991 in Somalia ausbrach. Mitte der 90er-Jahre erlangte sie ein heiß begehrtes Stipendium des Deutschen Akademischen Austauschdienstes, und ergänzte ihre Ausbildung um einen Facharzttitel in Berlin. Von dort aus siedelte sie zunächst nach London um, wurde britische Staatsbürgerin und kehrte sechs Jahre später in ihre Heimat zurück. Das war 2005, und ihr Land war völlig zerrüttet.

„Ich bin zurückgekommen, weil meine Mutter hier alleine war, alle meine Geschwister waren geflohen. Außerdem wollte ich den Menschen hier helfen, wir haben in Somalia kaum Kinderärzte. Als ich wiederkam, war das Krankenhaus wegen des Krieges geschlossen, es gab kein Personal mehr. 2007 hatten wir einen Cholera-Ausbruch, da habe ich das Krankenhaus wieder eröffnet und die Kinderstation wieder aufgebaut. Wir waren die einzigen, die ein Zentrum speziell für Cholera-Patienten hatten.“

Anfangs waren Lul und ein paar Helferinnen völlig auf sich gestellt. Deswegen begann sie, Personal auszubilden, lehrte in Mogadischu an einer privaten Universität. Von den heute 30 Ärztinnen und Ärzten der Abteilung hat sie, wie sie sagt, die meisten selbst ausgebildet. Hilfsorganisationen bringen bis heute Medikamente, medizinische Geräte und Verbrauchsmaterial. Seit 2012 wird Somalia wieder von einer international anerkannten Regierung geführt. Und Lul hoffte anfangs, dass damit bessere Zeiten für die notleidende Bevölkerung anbrechen würden. Vergeblich.

„Wir haben wieder mehr unterernährte Patienten, der Grund dafür sind momentan vor allem Dürre und Überschwemmungen. Und bei starkem Regen sind Cholera und wässriger Durchfall viel häufiger als sonst. Außerdem haben wir neuerdings wieder viele Kinder, die unterernährt sind. Zurzeit sind es 130 bis 140. Jedes unserer Betten ist belegt.“

Das Gesundheitssystem in Somalia liegt weiterhin brach. „Manchmal bin ich wütend, weil fast alle Tode meiner Patienten vermeidbar wären. Wir könnten sie verhindern, wenn unser Gesundheitssystem besser und effektiver wäre. Wenn die Regierung sich mehr Mühe geben würde, Steuern einzutreiben, könnte sie das Gesundheitssystem fördern – schließlich ist sie dafür verantwortlich. Die Steuerzahler haben ein Recht auf bestimmte staatliche Leistungen. Dazu gehören ein funktionierendes Gesundheitswesen, Sicherheit und Bildung“, beschwert sich Lul.

Neben ihrer Arbeit als Ärztin bemüht sich Lul auch, Einfluss auf die Politik auszuüben. Den Verantwortlichen gibt sie zu verstehen, dass sie die Dinge selbst angehen müssen, statt nur bei ausländischen Organisationen die Hand aufzuhalten. Dass ein Staat gegenüber seinen Bürgern auch Pflichten hat, ist eines der wichtigsten Prinzipien, die sie sich in Europa angeeignet hat.




Quelle: Gebende Hände-Redaktion; nach einer Information von: „Deutschlandfunk“, dradio.de

Schlagwörter: Somalia, Banadir-Krankenhaus, Mogadischu, Gesundheitssystem, Kindersterblichkeit, Unterernährung, Krankenhaus, Lul Mohamud Mohamed, Kinder, Cholera, Hunger, Flüchtlinge, Ausstattung, Klinik, Krankenhaus-Personal