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Haiti: Projektbesuch (Tagebuch)

Bericht vom 02.01.2010


Frau McCall, unser Kuratoriumsmitglied, bei der Besichtigung des von Gebende Hände finanzierten neuen Generators.

Unser Kuratoriumsmitglied, Frau Wally McCall, besuchte zusammen mit einer kleinen Gruppe von Mitreisenden im Dezember 2009 Haiti, um Projektbesuche zu machen. Hier der Auszug aus dem Tagebuch eines Begleiters:

• Erster Tag: Ankunft
Bei der Landung in Port-au-Prince war ich mir höchst unsicher, was mich wohl erwarten würde. Alles, was ich bisher von Haiti gehört und gelesen hatte, war, dass das ganze Land die Müllkippe der Welt sei und auch das ärmste Land der westlichen Hemisphäre. Die Statistiken dazu sind einfach unvorstellbar: Etwa 45% der Kinder sterben vor Erreichen des fünfzehnten Lebensjahres! Tausende Kinder und Erwachsene hungern und verhungern jeden Tag.

Nachdem ich diese Berichte gelesen und so vieles gehört hatte, beschloss ich, gemeinsam mit Vertretern von Gebende Hände heraus zu finden, auf welche Weise wir mithelfen könnten, diesen grauenhaften Umständen ein Ende zu machen.

Leider kann mein Bericht Ihnen die Eindrücke der folgenden Tage nicht angemessen vermitteln, aber vielleicht kann er eine Ahnung davon wecken, welche schockierenden Lebensumstände auf Haiti alltäglich sind.

• Zweiter Tag: Besuch in La Digue
Früh am nächsten Morgen brachen wir von Port-au-Prince auf, um La Digue etwa 50 Kilometer weiter nördlich zu erreichen, eine kleine Stadt, die etwas versteckt in ländlicher Gegend liegt. Die großartigen Mitarbeiter des von Gebende Hände geförderten Projekts betreiben nicht nur eine hochangesehene Schule, sondern auch eine Klinik für die Stadt- und Landbevölkerung und ein sehr gut organisiertes Speisungsprogramm.

Nach der Besichtigung der Schule machten wir uns auf den Weg zur Klinik, wo nicht nur kostenlose medizinische Behandlungen einschließlich Operationen vorgenommen werden. Darüber hinaus fungiert die Klinik auch als Entwurmungs-Station für alle umliegenden Ortschaften und ist so für Tausende mittelloser Menschen von großem Nutzen.

Als wir den Warteraum betraten, erschraken wir über die unzähligen Kinder und Familien, die dort geduldig auf die Entwurmungs-Behandlung warteten. Die Klinik ist jedoch gut darauf eingerichtet, solche Menschenmengen aufzunehmen und leistet der Bevölkerung hier hervorragende Dienste.

Unser nächstes Ziel auf dem gleichen Grundstück war das Speisungszentrum. Hier erhalten Hunderte von Kindern täglich ein nahrhaftes Essen und werden so möglicherweise vor dem Verhungern bewahrt. Jede Mahlzeit kostet lediglich 4 Cent – kaum vorstellbar für uns. Mit jedem gespendeten Euro können also fünfundzwanzig hungrige Kinder satt gemacht werden!

In einem nahe gelegenen Waisenhaus waren wir überrascht zu erfahren, dass die Jungen in Zelten außerhalb des Hauptgebäudes schlafen müssen. Die persönlichen Geschichten dieser Kinder waren herzzerreißend. Die meisten wurden im Alter von etwa drei Jahren Waisen, weil ihre Eltern an verschiedenen Krankheiten starben. Einige von ihnen waren schlichtweg ausgesetzt und von den Mitarbeitern des Waisenhauses gerettet worden.

Wir sprachen mit einem fünfjährigen kleinen Jungen, der beide Eltern verloren hatte, als er drei Jahre alt war. Sie wurden als unbeteiligte Zuschauer Opfer eines brutalen Bandenkampfs in der Nähe von Port-au-Prince. Als wir den Kleinen fragten, was er später einmal werden wolle, dachte er ein wenig nach und sagte dann: „Ich will nur groß werden.“ Diese Antwort verschlug uns die Sprache. Plötzlich waren die Angaben zur Kindersterblichkeit auf Haiti keine bloße Statistik mehr. Die Gedanken dieses kleinen Jungen kreisten nur darum, lange genug am Leben zu bleiben, um erwachsen werden zu können. Dank unserer Mitarbeiter im Waisenhaus wird sich der schlichte Überlebenswunsch dieses Jungen wohl erfüllen.

• Dritter Tag: Zufluchtsorte
Heute haben wir weitere Waisenhäuser und Schulen besucht. Wir verteilten kleine Geschenke, Bälle und Süßigkeiten, an die Kinder und wünschten ihnen frohe Weihnachten. Um die Mittagszeit erreichte unser Team einen typischen haitianischen Markt, wo Tausende Einheimischer auf der Suche nach Dingen des täglichen Bedarfs durcheinander hasteten. Beißender Gestank von Tierkadavern und Schmutz hing in der Luft, der durch die flirrende Hitze noch verstärkt wurde. Während wir durch den Lebensmittelbereich des Marktes schlenderten, stießen wir auf eine unglaubliche haitianische „Spezialität“:
Um etwas gegen den nagenden Hunger zu haben, waren die Einwohner in ihrer Verzweiflung dazu übergegangen, sogenannte Schlammkuchen herzustellen und als Nahrungsmittel zu verkaufen.

Dabei handelt es sich allerdings nicht um die süßen Köstlichkeiten, wie wir sie kennen: Die Kinder auf Haiti verwenden ganz spezielle „Zutaten“. Sie nehmen frischen Schlamm, fügen etwas Fett oder Öl hinzu und legen diese Mischung einfach in die Sonne, bis sie so trocken ist, dass sie sie kauen und essen können. Ich hatte zwar schon davon gehört, dass Kinder seltsame Dinge probieren, aber das hätte ich mir nie träumen lassen.

Als wir unseren Rundgang über den Markt beendet hatten und zu unserem nächsten Besuch aufbrachen, rüttelte mich wieder ein neuer erschreckender Anblick aus meinen Gedanken. Diesmal waren es die Verhältnisse an den völlig verschmutzten Flüssen und am Meer, wo die Leute badeten und ihre Wäsche wuschen. Die Strände waren über und über mit Abfällen bedeckt; der Müll an der Küste türmte sich regelrecht zu Bergen. Und auch das Wasser in den Flüssen und im Meer sah aus, als hätten die Haitianer ihren gesamten Unrat darüber ausgekippt. Ein Albtraum! Ja, die Geschichten stimmten, die ich über Haiti gehört hatte.

Bei unseren nächsten drei Aufenthalten erlebte ich einige der größten Herausforderungen meines Lebens. Zuerst besuchten wir ein weiteres Waisenhaus. Während die anderen mit dem Leiter des Heims die Räumlichkeiten besichtigten, blieb ich zurück und spielte mit den Kindern. Traurigerweise waren die meisten von ihnen nicht mit dem Umgang mit Schere und Papier vertraut und kannten auch manche Spiele nicht, aber wir schafften es doch, einige Runden Verstecken zu spielen. Erst während der Autofahrt zu unserem nächsten Ziel hörte ich, dass jedes dieser Kinder HIV-infiziert war.

Diese Nachricht traf mich wie ein Schlag. Die Kleinen, mit denen ich eben noch gespielt hatte, konnten schon sehr bald sterben, falls die in ihnen schlummernde Krankheit ausbrach und sie nicht die lebensrettenden Medikamente bekamen. Nie im Leben werde ich die Augenblicke vergessen, die ich fröhlich lachend und mit albernen Spielereien bei den Kindern verbrachte. Das Bewusstsein, dass sie praktisch jederzeit vom Tod bedroht waren und trotzdem noch lachen konnten, berührt mich zutiefst. Diese Kleinen und ihre Betreuer haben mir eine völlig neue Dankbarkeit für mein eigenes Leben vermittelt.

Anschließend besuchten wir ein kleines Kinderhaus, in dem ein paar Dutzend Kinder versorgt werden, die man hilflos auf der Straße gefunden hatte. Der Leiter des Zentrums erzählte uns die Geschichte eines kleinen Mädchens, das bei ihnen lebt. Ihr Vater und ihre Mutter wurden wenige Monate vor unserem Besuch vor ihren Augen auf brutalste Weise ermordet. Der Schock und das Grauen haben sie verstummen lassen. Unsere Hoffnung ist es, dass sie durch die Liebe und Zuwendung der Mitarbeiter im Kinderhaus wieder Frieden findet.

Unser letzter Aufenthalt an diesem Tag galt einem Hilfszentrum, wohin wir Lebensmittel brachten. Dort trafen wir ein Kleinkind an, das gerade erst laufen gelernt und nun hierher gefunden hatte. Der kleine Junge weinte und schrie vor Schmerz, weil seine Augen stark entzündet waren. Ohne Behandlung würde er schon bald blind werden. Die Kosten für die Medikamente lagen bei umgerechnet etwas mehr als 15 Euro. Unser Team brachte die Summe aus eigener Tasche auf, und nun wird der Kleine bald wieder gesund werden und richtig sehen können.

• Vierter Tag: Letzte Besuche und Abreise
An unserem letzten Tag fuhren wir in die Region Cazale, ein abgelegenes, von Bergen umgebenes Gebiet. Hier befindet sich ein Krankenhaus, das für die rund 10.000 Bewohner der Region zuverlässige medizinische Versorgung und Notfallbehandlung ermöglicht. In den vergangenen zehn Jahren wurde hier etwa 97.000 Menschen geholfen!

Gute medizinische Versorgung gibt es auf Haiti selten. Die Krankenschwestern der Klinik berichteten uns, dass manche Familien aus den umliegenden Dörfern einen 14stündigen Fußmarsch in Kauf nehmen, nur um sich hier behandeln zu lassen. Stellen Sie sich vor, Sie müssten erst eine Tageswanderung hinter sich bringen, um zum Arzt zu kommen, und das, obwohl sie bereits krank sind! Welche Schmerzen nehmen diese Menschen auf sich, wenn sie diese lange Reise machen.

Kinder werden hier im Krankenhaus nicht einfach nur behandelt und dann wieder nach Hause geschickt. Das Pflegepersonal hat eine Rehabilitationsstation eingerichtet, in der die Kinder so lange wie nötig bleiben können, bevor sie wieder zu ihren Familien zurückkehren. Viele von ihnen brauchen umfassende Nachsorge, da sie mit den Symptomen schwerer Unterernährung wie aufgeblähten Bäuchen und Ödemen hier ankommen. Dank der liebevollen Zuwendung von Krankenhauspersonal und ehrenamtlichen Helfern können diese Kinder aber wieder gesund gepflegt werden.

Bei unserem Rückflug waren wir alle recht still. Zu bewegend waren die extremen Eindrücke der letzten Tage. Und jedem war klar: Die Hilfe muß nicht nur weitergehen – wir müssen versuchen, noch mehr als bisher an Hilfeleistungen möglich zu machen.

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